Balten

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Die Ostbalten sind in Brauntönen eingetragen, während die Westbalten in Grüntönen gezeichnet sind.
Gebiet baltischer Flussnamen. Flussnamen sind die ältesten Sprachdokumente überhaupt.

Indoeuropäische Sprachfamilie

Die Balten stellen einen Teil der indoeuropäischen Sprachfamilie dar. Der baltisch-slawisch-germanische Ast zweigte sich vom indoarisch-griechisch-armenischen ab. Später zweigte sich der germanische vom balto-slawischen ab, was die oft auffallende Ähnlichkeit baltischer und slawischer Begriffe einerseits und die verblüffende Ähnlichkeit mit Latein und Sanskrit begründet.

"Eine ungleich wichtigere Rolle als im politischen Geschehen spielten die baltischen Sprachen von Anfang an in der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Bereits dem Begründer dieser Fachrichtung, Franz Bopp, konnte es nicht verborgen bleiben, daß das Litauische, Lettische und Altpreußische innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie wie die germanischen und die slawischen Sprachen eine enge Gruppe bilden (er nennt sie im Gegenteil zu Nesselmann noch nicht "baltisch", sondern "lettisch"). Da die baltischen Sprachen überdies alle in ihrem grammatischen System (Deklination und Konjugation) wie auch im Bestand des Vokalismus und Konsonantismus eine hohe Altertümlichkeit aufweisen, die weder im Slawischen noch im Germanischen erhalten geblieben ist, sondern allenfalls im antiken Lateinischen und Grieschischen, ja selbst im Altindischen (Sanskrit) ihresgleichen sucht, nahmen die baltischen Sprachen, vor allem das Litauische, in ihrer Bedeutung für die Sprachforschung fast den gleichen Rang ein wie die antiken Sprachen." ...

"Wie eng verwandt die baltischen Sprachen untereinander sind, soll ein Teil eines Tischgebetes (im lutherischen Katechismus) verdeutlichen:

  • altpreußisch Toū etwēre twaian rānkan
  • litauisch Atweri tu ranke tawa
  • lettisch Tv atwher touwe roke

Das Verbum ist wiederum gemeinbaltisch.

Daß also Altpreußisch, Litauisch und Lettisch aus einer urbaltischen Sprache hervorgegangen sein müssen, wird heute kaum von einem Baltisten oder Vergleichenden Sprachforscher ernsthaft bestritten, - ebenso wenig wie die Tatsache einer indogermanischen Grundsprache.

Anders sieht es allerdings mit dem Verhältnis des Baltischen zum Slawischen aus: Daß das Urbaltische und Urslawische ihrerseits auf einer baltoslawischen Grundsprache (nach der Auflösung des Indogerm.) beruhen, ist keineswegs unangefochten. Bis heute stehen sich die Befürworter und Gegener dieser "baltoslawischen" Theorie einander gegenüber; ein Teil der Sprachforscher nimmt auch eine abwägende bis skeptische Haltung ein." ... "Von Anfang ananerkannt war die Einheit, die das Lit. und Lett. wiederum gegenüber dem Altpreuß. bilden, - ungeachtet des Umstandes, daß unsere Kenntnisse der altpreuß. Grammatik aufgrund der wenigen Texte des Altpreuß. (fast nur Fassungen des lutherischen Katechismusses) alles andere als vollständig sind. Und doch bietet das Altpreuß. hinreichend Einblicke in Grammatik und Wortschatz, die Rückschlüsse auf die Stellung des Altpreuß. innerhalb der baltischen Sprachen zulassen." ... "Auf der anderen Seite weisen aber selbst die ostbaltischen Sprachen untereinander derartige Unterschiede auf, daß eine mündliche Verständigung zwischen einem Litauer und einem Letten nur in ganz begrenztem Ausmaß möglich ist. Ganz allgemein kann man sagen, daß das Lettische gleichsam ein fortgeschritteneres Stadium als das Litauische erreicht hat." [1]

Baltische Sprachfamilie

Die baltischen Sprachen werden grob in westbaltisch und ostbaltisch unterschieden.

Westbalten

Prußen mit Stammesdialekten

Kuren, vemutlich auch mit Stammesdialekten im kaum rekonstruierbaren Altkurisch

  • Kurische Landschaften [1]
Nordkuren
  • Vredecuronia
  • Wynda/ Venta
  • Bandowe
  • Bihavelanc
Südkuren
  • Duvzare, Dovzeren, Duizare
  • Ceclis (lit. Keklys)
  • Megowe
  • Pilsaten
  • Lamotina
  • sowie das lettisch beeinflusste Nehrungskurisch

Ostbalten

Letten

  • Kurisches Tahmisch (Nordwesten, Ventspils)
  • Livisches Tahmisch/ Mittellettisch (Nordöstlich von Riga, Valmiera)
  • Nordkurische Mundarten des Mittellettisch (Ostseeküste, Kuldiga)
  • Semgallisch-kurische Mundarten des Mittellettisch (Ostseeküste, Liepaja)
  • Hochlettisch (Im Osten bis zur Grenze Russlands: Jekabpils, Daugavpils, Rezekne)
  • Semgallisches Mittellettisch (Südlich von Riga, Jelgave, Bauska)

Litauer (Hochlitauer)

Westaukschtaitsche Dialekte
  • Dialekt um Šiauliai (Norden Richtung Lettland)
  • Dialekt um Kaunas
Ostaukschtaitsche Dialekte
  • Dialekt um Panevežys (Nordöstlich von Kaunas)
  • Dialekt um Kupiškis (Norden an lettischer Grenze)
  • Dialekt um Anykščiai (Nordwestlich von Vilnius)
  • Dialekt um Utena (Nordöstlich von Vilnius)
  • Dialekt um Vilnius
Südaukschtaitsche Dialekte

Zemaiten (Niederlitauer)

  • Westzemaitisch (Südkurische Landschaften, (Memelland, altkurisch beeinflusst)
  • Dialekt des südöstlichen Memellandes (eigentlich zemaitisch-karschauisch)
  • Dialekt um Kretinga (Kurische Landschaft Ceclis, altkurisch beeinflusst)
  • Dialekt um Telšiai (Grenze zu Lettland, Kurische Landschaft Ceclis, altkurisch beeinflusst)
  • Dialekt um Varniai (Nordöstlich von Heydekrug, Karschauen )
  • Dialekt um Raseinia (Gegend nördlich von Tauroggen)

Name

Angeblich führte Adam von Bremen im 11. Jahrhundert den Namen Mare Balticum für die Ostsee ein, nach anderen Quellen entstand der Sammelname Balten später. Jedoch dürfte sich der Name von der Ostsee, nämlich dem Weißen Meer ableiten: "balt, baltas" = weiß und die Küstenbewohner bezeichnet haben, nämlich die Prußen, Kuren und Letten, die bereits in nachchristlicher Zeit im nordischen Raum weithin bekannt waren, und weniger die binnenlandig wohnenden Zemaiten und Litauer.

Geschichte

Die später in die Region vordringenden vorbaltischen Völker gehören zu den Indoeuropäern. Sie waren Halbomaden aus den südrussischen Steppen aus der Schwarzmeer-Gegend. Etwa um 3 500 v. Chr. muss es ihnen gelungen sein, Pferde als Reittiere abzurichten. Ihre Wanderrouten in baltisches Gebiet führten, soweit keine Steppen und Heideflächen zur Verfügung standen, entlang der Flüsse Dnjepr, Prypjat, Narew und Memel.

Es gab laut der mittlerweile umstrittenen Darstellung von Marija Gimbutas mehrere steinzeitliche Expansionen der Indoeuropäer:

Die erste Welle (4 400–4 200) erreichte das Donaubecken, Bulgarien und Mazedonien und wies eine niedrige Kulturstufe auf. Die älteste Religionsschicht ist matriarchalisch und weist Göttinnen aus, die alle erdverbunden sind und ein von Ehrfurcht geprägtes Wissen um Pflanzen, Reptilien, Vögel, Haus- und Wildtiere haben. Die oberste Göttin war die Sonnengöttin Saule. Ihre Tocher war die Erdmutter Semina (prußisch) beziehungsweise Zemine (lettisch) und Žemyna (litauisch), zärtlich Žeminele genannt. Eine wichtige Rolle im Leben spielte die Glücksgöttin Laima, die Göttin des Schicksals und der Neugeborenen, die als "Knospentreiberin" zu erkennen war. Ihre Allwissenheit zeigte sich in riesigen weißen Schlangen. Der Schlangen- und Krötenkult basiert auf dieser Religionsschicht.

Die zweite Welle (3 400-3 200) erreichte auch die baltischen Länder und konnte bereits eine hohe Kultur ausweisen. Man findet aus dieser Epoche Dolche, Äxte sowie Flachbeile transkaukasischer Art. In dieser Zeit bestehen Siedlungen an steilen, geschützten Flussufern oder auf Landzungen. Die Macht lag in Händen von Magnaten, deren Gräber durch stattliche Anlage und reiche Grabbeigaben beeindruckten. Funde weisen diese Menschen der Trichterbecherkultur zu; sie waren bereits Züchter von Pferden, Rindern und Schweinen. Die Sozialstruktur und die symbolische Darstellung religiöser Anschauung entsprechen der Grabhügel-Kultur am nördlichen Schwarzen Meer. Aus dieser Zeit stammt der männliche Aspekt der naturreligiösen Götterwelt, nämlich die Vergottung von Pferd, Rind, Sternenhimmel, dem allerersten Gott Dewus/ Deiws/ Uckapirmos/ Ockopirm (prußisch) beziehungsweise Dievs (lettisch) und Dievas (litauisch), den drei Hauptgöttern Perkunos, Potrimpos und Patollos, der später unter christlichem Einfluss zum Teufel Pikollos mutierte.

Die Indoeuropäer wurden vom Ackerbau und dem gut entwickelten Tauschhandel der Alteuropäer im östlichen Mitteleuropa angezogen. Entweder sie assimilierten sich mit den Alteuropäern oder löschten sie aus, denn aus einer Kultur sesshafter Ackerbauern entwickelte sich ein Hirtennomadentum. Statt geräumiger Langhäuser wurden wie in der Steppe kleine jurtenartige, halb in die Erde eingelassene Häuser gebaut. Die Bedeutung des Bernsteins nahm zu. Geschnitzten Grabbeigaben, auch solche erotischer Natur, lassen auf eine patriarchalische Sozialstruktur schließen.

Die dritte Welle (3 000–2 800), auch Grubengrab-Kultur genannt, vertreibt die Kugelamphoren-Kultur nach Westen: nach Holland, Irland und Skandinavien und wird durch die Schnurkeramik-Kultur ersetzt. Eine Assimilierung der Neuankömmlinge mit den alteingesessenen Bewohnern findet statt. Die Alteuropäer werden nicht ausgerottet, sondern übernehmen die neue Sprache, die Sozialstruktur und die patriarchalische Religion. Anthropologisch unterscheiden sich die Neuankömmlinge von den Alteuropäern, indem sie langköpfig sind, mit durchschnittlicher Gesichtsbreite, hochgewachsen und mit einer zur Breite hin tendierenden Statur. Aus dieser ethnischen Mischung entstanden die baltischen Völker.

Handel

Um 3 000 vor Christus macht sich ein fremder Zustrom aus westlichen Kulturen bemerkbar. Menschen, die im neuen Ansiedlungsgebiet nicht auf Gewohntes verzichten wollten und deshalb auf ihren erprobten Wanderwegen auch rückwärtige Handelsbeziehungen aufrechterhielten, sorgten für einen regen kulturellen Austausch. So gibt es aus dieser Epoche Werkzeuge aus Rügen, Salz aus Mitteldeutschland sowie schlesischen Serpentin. Als Tauschobjekt ist Bernstein anzunehmen, denn der wurde in Pommern, Brandenburg, Mitteldeutschland, Norwegen, Finnland, Schlesien, Nordrussland und im Nordkaukasus gefunden. Breslau und Leysuhnen bei Heiligenbeil waren wohl die Hauptumschlagplätze, denn dort fand man in Handelshöfen, die als Zwischenlager dienten, 8 beziehungsweise 3 Zentner samländischen Rohbernstein.

Bronze- und Eisenzeit

Aus der Haffküsten-Kultur entwickelte sich die westbaltische, also prußische und kurische Bronzezeit. Die Balten hatten ihre größte Ausbreitung während der frühen Eisenzeit. Im Süden reichte ihr Gebiet über den Prypjat hinaus bis an den Sejm, im Osten bis an den Oberlauf der Oka, fast bis Moskau. Die nördliche Begrenzung lag am Oberlauf der Wolga und im Einzugsgebiet der Daugava. Im Westen reichte es über die Weichsel hinaus bis an die Persante. Baltische Hydronyme finden sich auch bis fast an die Elbe, doch ist linguistisch nicht gesichert, ob diese sich nicht auch slawisch klären lassen könnten.

In der Bronzezeit (2 000 bis 150 vor Chr.) blüht das Handelsgeschehen im Samland, wobei die Dörfer in den Kreisen Fischhausen und Cranz die reichsten archäologischen Funde aufweisen. Steinäxte sind den im heutigen Ungarn gefundenen Kupferäxten nachgebildet, und auch Spiralarmbänder zeigen Ähnlichkeit mit den Funden aus Ungarn. Bronze wird aus einer Legierung aus Kupfer und Zinn hergestellt, wobei der Zinnanteil allmählich auf 10 % ansteigt und so die Bronze härter macht. Die chemische Zusammensetzung deutet auf Kupfer aus dem südwestlichen England, aus Spanien und dem Salzkammergut in Österreich. Daraus ist zu schließen, dass es in den baltischen Regionen selbst keine Bronzeindustrie gab sondern im Austauschverkehr mit Bernstein importiert wurde. Ebenfalls gab es Handelsbeziehungen zu den Gießerei-Werkstätten im nördlichen Kleinasien.

In der jüngeren Bronzezeit (1 000 bis 500 vor Chr.) verstärkt sich der westliche Einfluss. Auch in der Eisenzeit (500 vor Christus bis 50 nach Christus) halten Wirtschaftsbeziehungen zu Gebieten westlich der Weichsel an: moderne Spinnwirbel mit Webegewichten halten Einzug, kobaltblaue Glasperlen mit Emaille-Einlagen werden anstelle des Bernsteinschmuckes bevorzugt. Auch die Änderung der Grabsitten deuten auf neue Gedanken und Vorstellungskomplexe metaphysisch-religiöser Natur. Das Fortleben nach dem Tode war nicht mehr durch den Körper bedingt, worauf die Brandbestattung schließen lässt. Neu sind jetzt Urnen, die manchmal auch mit einem Gesicht verziert sind und einen Deckel erhalten, der mit einem sogenannten „Seelenloch“ versehen ist. Das deutet auf eine dualistische Scheidung zwischen Körper und Seele. Da man nichts über die Beschaffenheit der Seele weiß, vermutete man sie in der Asche oder in den Knochenresten, die deshalb in einer Urne gesammelt werden mussten. Damit die Seele jedoch ihren Weg zu den Göttern finden konnte, ließ man oben das Loch. Die Bestattungsweisen werden wohl der Bauweise des Wohnplatzes und dem täglichen Leben entsprochen haben, denn die runden Hügelgräber mit teilweise mehreren Steinringen entsprachen den Muldenhäusern mit ihren Umzäunungen.

Die Wirtschaft war inzwischen vorwiegend bäuerlich. Es gab Landeigentum, während die Jagd abschwächte. Als Haustier kam die Ziege hinzu, das Rind wurde als Zugtier gebraucht, während das Pferd als Reittier oder der vornehmen Wagenbespannung diente. In Siedlungsstätten der Sudauer und Litauer entdeckte man eine große Menge Waldpferdeknochen vom Tarpanschlag (Equus gmelini) ebenso wie Knochen von kleinwüchsigen, dünnbeinigen Rindern. Der Übergang vom Hackbau zum Hakenpflug verstärkte die Sesshaftigkeit, was wieder etliche Änderungen sozialer und religiöser Art nach sich zog, denn dadurch bekamen die Menschen ein engeres Verhältnis zur Natur und mussten sich über Werden und Vergehen, über das Naturgeschehen, über den Einfluss von Sonne, Mond und Naturgewalten Gedanken machen. Von der Natur war der Mensch abhängig, und er musste sich ihr Wohlwollen erringen oder ihren Zorn besänftigen.

Anregungen und Moden kamen weiterhin aus dem Süden, neu waren jetzt aber Beziehungen nach Gotland. Die Goten hatten bereits aus klimatischen Gründen zwischen 800 und 300 vor Christus Züge nach Süden unternommen, und siedelten vorwiegend in der Gegend um Danzig. Aus dieser Zeit stammt die ostpreußische Sage von den cimbrischen Brüdern Widewuto und Bruteno, von denen angeblich die zwölf prußischen Stämme abstammen. Der Name Aestier ist gotisch und bedeutet „die Geachteten, die Geschätzten“, ebenso bedeutet Ostier, Ostleute. Jordanes berichtet von den Aestier-Prußen, welche ein Teil des Ostgotenreiches waren. Als der Name Preußen durch die ersten Christianisierungsversuche bekannt wurde, entwickelte sich der Ausdruck Aestier später zum Name Estland, allerdings für die nicht-baltischen Esten. Tacitus nennt die Prußen einen „äußerst friedliebenden Menschenschlag“, und auch tausend Jahre später sagt Adam von Bremen, dass es höchst schätzenswerte Menschen seien, über deren Sitten viel Löbliches gesagt werden könnte, wenn … sie nur den christlichen Glauben annehmen würden.

Gräberfunde aus dieser Zeit weisen ein großes stilistisches Durcheinander aus. Neu sind Keramiken mit matt glänzender Politur, die auf Graphit-Beimengung deuten, die beim Erstarren von Eisen entsteht. Die Metallindustrie hatte also einen Aufschwung erlebt. Schmuck wird nun auch in Gusstechnik hergestellt, und die Waffenindustrie blüht, denn die mit Säureätzung hergestellten Verzierungen deuten auf ein kriegstüchtiges Volk. Während frühere Funde durchaus auf friedliche Handelsbeziehungen weisen, scheint es jetzt im Zusammenleben mit den Goten nötig geworden zu sein, sich mit Waffen zu verteidigen. Kriegerische Handlungen zwischen Prussen und Goten sind aber nicht bekannt, jedoch weiß man, dass Menschen beim Zerfall des Römerreiches nach dem Prussenland zurückkehrten. Während es vorher keine Waffengräber gab, tauchen in der Zeit der Wikinger, die zeitweilig in prußische Handelsorte wie Truso und Wiskiauten einkehrten und auch jahrelang verblieben, Schwerter vermehrt auf und Angriffe von Masovien und der Polanen machten seit dem 10. Jahrhundert Bewaffnung nötig.

Römische Kaiserzeit

Ab der Römischen Kaiserzeit (1. bis 4. Jahrhundert nach Chr.) finden sich auch schriftliche Zeugnisse. So gibt es von Strabo, Pomponius, Mela, Plinius dem Älteren, Tacitus und Ptolemäus Schilderungen über das „Nördliche“ oder „Suebische Meer“. Das Samland wird in verschiedenen Berichten als „Bernsteininsel“ („Glaesaria“, „Abalus“, „Basilia“ und „Balcia“) beschrieben. Tacitus schreibt: „Rechts von dort schlägt das Mare Suebicum (Suebische Meer) an das Küstenland der aestischen Völker. Ihre Sitte und ihr Äußeres ist schwebisch, die Sprache der brittanischen ähnlich. Sie verehren die Göttermutter. Als Sinnbild dieses Kultes führen sie Bilder von Ebern. Solche Bilder sind ihr Schild und Schirm. Sie decken den Verehrer selbst in der Feinde Mitte. Selten ist der Gebrauch einer eisernen Wehr, häufiger der von Keulen. Getreide und andere Feldfrüchte bauen sie fleißiger an, als dies sonst der bequemen Germanen Art ist. Aber auch das Meer durchsuchen sie, und sie sind die einzigen von allen, die den Bernstein, bei ihnen ‚glesum‘ genannt, in den Untiefen und am Ufer selbst sammeln. Seine Natur und Entstehungsart haben diese Barbaren nie untersucht oder ermittelt. Lange lag er unter anderem Auswurf des Meeres da, bis römische Prunksucht ihm einen Namen machte. Jene wissen selbst nichts damit anzufangen; er wird roh gesammelt, unverarbeitet ausgeführt und voller Bewunderung empfangen sie Bezahlung dafür.“

Auseinandersetzungen im 5. bis 9. Jahrhundert

Zwischen 166 bis 180 nach Chr. begannen die östlichen Goten nach Südrussland abzuwandern. Letztlich führt die gotische Wanderung bis nach Spanien. Der spanische Name Galindo wird von manchen auf den Namen der prußischen Galinder zurückgeführt, die möglicherweise mit den Goten mitgewandert sind. Hierzu würde passen, dass der gotische Geschichtsschreiber Jordanis berichtet, dass die wahrscheinlich baltischen Aesti zum „Gotenreich“ gehörten und dass Brief- und Geschenk-Austausch zwischen ihnen und Theoderich dem Großen(!) stattfand. Im Laufe der kommenden Jahrhunderte begannen slawische Polanen mit Angriffen auf die Prußen, um diese zu erobern. Der Feldherr der Polanen Masos sonderte sich aber ab und fand Zuflucht unter den Prußen. Nach Masos wurde das später eigenständige Fürstentum Masowien benannt, welches 1526 ausstarb und von Polen annektiert wurde. Somit war also das südliche Prußenland mit der Zeit durch Masowier besiedelt, die auch samländisch - natangische Kultur übernahmen. Nachdem die Goten das Gebiet verlassen hatten, gewann die prußische Unterschicht wieder die Oberhand, nahm von der gotischen Ganzkörperbestattung Abstand und kehrte zur alten Brandbestattung zurück. Zur Zeit der Völkerwanderung (4. bis 8. Jahrhundert nach Chr.) wanderten die meisten Germanen ab, aber es werden weiter alte Handelsbeziehungen gepflegt. Südrussische Tierkopffibeln finden sich neben Merowinger-Sicheln und Zikadenfibeln aus dem mittleren Rheinland.

Ab dem 7. Jahrhundert dringen die Slawen von der Donau kommend in die von Germanen nahezu entvölkerten Gebiete. Dies geschieht fast spurlos und lautlos, denn es sind einzelne Stammesgruppen, die sich neue Nahrungs- und Siedlungsgründe erschließen. Es bilden sich keine Herrschaftsstrukturen unter ihnen, und das polnische Reich existiert erst ab dem 10. Jahrhundert. Durch das Abziehen der Germanen und die sich dazwischen schiebenden Slawen erliegen die alten prußisch-germanischen Handelsbeziehungen. Ins Samland kommen besonders viele Wikinger. Es macht sich zunächst ein starkes Eigenleben bemerkbar, das schließlich in ein kraftloses Ermatten und in einem Versiegen der Kreativität mündet. Dies wird als die Periode der Dekadenz bezeichnet. Diese Dekadenzperiode betrifft nicht das Memelland und andere kurische Gebiete, denn hier findet eine eigenständige wirtschaftliche und kulturelle Orientierung nach Norden und nach Osten statt.

In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten spalteten sich die Balten in Stämme auf. Die Prußen äscherten ihre Toten ein und setzten die Urnen in Flachgräbern bei. Die Sudauer begruben lange ihre Toten in mit Steinen abgedeckten Erdhügeln, gingen aber im 5. Jahrhundert ebenfalls zur Einäscherung über. Auch die Litauer äscherten ein, doch begruben sie die Urnen unter mit Steinwällen umgebenen Erdhügeln. Die Semgallen behielten die Körperbestattung bei, und die Kuren umgaben ihre Körpergräber mit eckigen Steinwällen, innerhalb derer die Einzelgräber wabenförmig angelegt waren. Später wurde auch hier die Einäscherung übernommen, lediglich die Semgallen und Lettgallen blieben bei der Körperbestattung. Gemeinsam war allen, dass die Toten auf Hügeln beigesetzt wurden. An diesen Hügelburgen entstanden Dörfer, die von Chronisten des 9. Jahrhunderts als „Städte“ bezeichnet wurden. Prußen bevorzugten dagegen durch Staketenzäune gesichtere Streusiedlungen, sogenannte „Gartendörfer“.

Im 8. Jahrhundert wächst der skandinavische Einfluss. Die spätheidnische Zeit (9. bis 11. Jahrhundert nach Chr.) wird auch Wikingerperiode genannt. Wegen Landarmut und Überbevölkerung werden vor allem Dänen, aber auch andere Nordmänner, von kriegerischer Abenteuerlust getrieben. Ihr draufgängerischer Eroberungsgeist überzieht das Gebiet als letzte germanische Welle. Ende des 9. Jahrhundert hält sich der angelsächsische Wikinger Wulffstan in Ostpreußen auf und liefert einen trefflichen Bericht über Land und Leute. Es ist insgesamt eine kämpferische Periode, denn die Prußen haben sich nicht nur der Wikinger zu erwehren, auch die Polen überziehen sie über 400 Jahre lang ständig mit Krieg. Wulffstan schreibt: „Es befinden sich viele Burgen in dem Land. Es ist viel Krieg unter den Esthen“, was auch zahlreiche Waffenfunde aus dieser Epoche beweisen. Das Jahr 960 nach Chr. gilt als offizielles Gründungsjahr des polnischen Staates. Es herrscht Herzog Mieszko I.; das Kerngebiet der Polanen liegt zwischen Warthe, Netze und Weichsel.

Ab dem 5. Jahrhundert war die Anlage von Burgen und Schanzen notwendig geworden, die meist auf Steilufern oder auf in Gewässer reichenden Landzungen angelegt wurden. Hierzu wurden Baumstämme zur Armierung und Lehm für die Brustwehr verbaut. Die Fläche solcher Burgen lag zwischen einem halben und einem Hektar. Zusätzlich wurden rundum "Verhaue" aus stacheligem Gestrüpp und Baumstämmen angelegt, oft in mehreren Ringen um die Siedlungen. Aus diesen Adelsburgen erwuchs langsam ein Feudalsystem. Die Prußen bildeten jedoch lediglich ein Stammesfürstentum heraus, deren Häuptlinge sich jedoch nur unter einem König ("reiks") vereinigten, wenn es zu Kämpfen kam. Anders dagegen das ebenfalls aus kleinen Herrschaften bestehende Litauen, welchem unter Mindaugas die Einigung gelang. Litauen wurde durch die Verbindung mit den Polen und deren Übernahme zu einem starken, aggressiven Kriegervolk und war erfolgreich sowohl gegen den Orden als auch gegen die Žemaiten. Der Szemaite Treniota war an der Ermordung Mindaugas beteiligt, folgte ihm auf den Thron und wurde seinerseits bald ermordet. In den folgenden zwei Jahrhunderten waren es die Szemaiten, die Litauen erfolgreich gegen den Ritterorden verteidigten, zumal sie auch rein geografisch gesehen dem Geschehen näher waren als das binnenlandige und nahezu bis ans Schwarze Meer reichende Litauen. In Lettland begann der Mönch Meinhard, der mit deutschen Kaufleuten ins Land gekommen war, mit der Missionierung. Die Gebiete der Nordkuren, Liven und Selen wurden von den Schwertrittern erobert.

Weblinks

  • Herkus Monte [2]
  • Skomant [3]
  • Mindaugas [4]
  • Treniota [5]
  • Geschichte Lettland [6]
  • Geschichte Litauen [7]
  • Geschichte Zemaitien [8]/ [9]
  • Baltischer Schmuck [10]
  • Baltische Musik [11]

Literatur

  • Eckert, Rainer/ Bukevičiute, Elvire-Julia/ Hinze, Friedhelm: Die baltischen Sprachen, eine Einführung, Langenscheidt 1994, 5. Auflage 1998
  • Wilhelm Gaerte: Urgeschichte Ostpreußens. Gräfe und Unzer, Königsberg 1929
  • Gimbutas, Marija: Die Balten, Herbig München 1983 (1963 engl.)
  • Schmid, Wolfgang P.: Das Nehrungskurische, ein sprachhistorischer Überblick
  • Schmid, Wolfgang P. (Hrg): Nehrungskurisch, Sprachhistorische und instrumentalphonetische Studien zu einem aussterbenden Dialekt, Stuttgart 1989

Einzelnachweise

  1. Euler, Wolfram, Vortrag, gehalten im September 1991 beim siebenten Prußentreffen in Bonn - Bad Godesberg