Familie Tiedtke in Wischwill

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<<<Wischwill

Familie Tiedtke in Wischwill

Wohnhaft in Wischwill von 1925 bis 1944

Familienfotos und Erläuterungen

Malermeister Paul Tiedtke (Wischwill 1941)


Hermann Karl Paul Tiedtke wurde 1883 als Sohn des Johann Tiedtke und der Minna Tiedtke, geb. Witt in Wehlau geboren. Während seiner Militärzeit entdeckte ein vorgesetzter Offizier sein zeichnerisches Talent und unterstützte ihn bei einer Ausbildung zum Dekorationsmaler. Paul Tiedtke ließ sich mit seiner Werkstatt in Heydekrug nieder.

Im Rahmen seiner Arbeiten "über Land" lernte er die Familie des Fleischermeisters und Viehhändlers Heinrich Leitner und dessen Frau Auguste Leitner, geb. Kampf kennen und heiratete im September 1910 deren Tochter Johanne Gertrud, eines von 13 Kindern der Familie. Johanne Leitner wurde im Jahre 1888 in Weedern (Ksp.Wedereitischken) geboren und im Standesamt Budwethen amtlich eingetragen. Das Foto der jungen Braut stammt aus dem Jahr der Verlobung und Eheschließung.

Im Jahre 1912 wurde der Sohn Paul Helmut Tiedtke in Heydekrug geboren.
Sein Vater Paul Tiedtke diente im ersten Weltkrieg in einer Sanitätseinheit und erhielt das Eiserne Kreuz.

Im Jahre 1924 wurden die Zwillingstöchter Ruth Charlotte und Irma Johanne Tiedtke in Heydekrug geboren. Ruth verstarb nach drei Monaten und wurde in Heydekrug beerdigt.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation weltweit und nach der Annexion durch Litauen zog die Familie Tiedtke im Jahre 1925 aus der Stadt Heydekrug aufs Land in das Kirchdorf Wischwill, das auch ein eigenes Gericht/Gefängnis hatte, eine Mittelschule und insgesamt eher ein Handwerker- und Beamten- als ein Bauerndorf war.

Helmut Tiedtke mit seinem Gesellenstück (Wischwill ca. 1933)
Helmut Tiedtke als Soldat (Wischwill 1941)
Irma Tiedtke vor dem Elternhaus (Wischwill Januar 1940)


Paul Tiedtke war inzwischen Innungsmeister, bildete neben anderen auch Sohn Helmut aus, der im Jahre 1933 seine Gesellenprüfung ablegte. Das Foto zeigt ihn mit seinem Gesellenstück, einer Gedenktafel für die im Krieg gefallenen Wischwiller.

Nach der Rückholung ins Reich im Jahre 1939 begann im Memelland ein wirtschaftlicher Aufschwung, von dem auch der Malerbetrieb profitierte. Zahlreiche Wischwiller konnten es sich nun leisten, die Wände ihrer Häuser nicht mit Tapeten, sondern mit Malereien versehen zu lassen. Unter anderem malte Paul Tiedtke auch das Treppenhaus der Wischwiller Grundschule aus mit fast comicartigen Tierszenen im Erdgeschoss für die "Kleinen" und abstrakten Mustern im ersten Stock für die "Großen".

Dass er in die "Partei" eintrat, lag in der Tat nicht nur daran, dass seine Auftragslage sich damit verbesserte. Sein Parteiabzeichen, wie auf dem Foto zu sehen, trug er seit 1939. Ehefrau Johanne war deutlich gegen das Regime eingestellt, was im Hause Tiedtke zu gelegentlich ausufernden Auseinandersetzungen führte.

Das Beispiel ließ Tochter Irma immer eine kritische Betrachtungsweise haben, aber sie wuchs in diese Zeit hinein und gehörte selbstverständlich auch dem BDM an. Die entsprechende Uniform trug sie jedoch nur zu offiziellen Unternehmungen, und mit süßen sechzehn zog sie eine nette Schleifenbluse oder einen schicken Hut allemal vor. Auf dem Winterbild vor dem Elternhaus ist auch deutlich das Schild des "Malerinnungsmeisters Wischwill" mit dem allgegenwärtigen Hakenkreuz zu sehen.

Sohn Helmut hatte Erna Alice Elisabeth Bloch aus Kellerischken geheiratet (Heirat in Absteinen) und in Schmalleningken seinen eigenen Malerbetrieb eröffnet. Sohn Klaus wurde im Jahre 1940 geboren. Trotz seines Alters und eigenen Betriebes wurde Helmut bereits fast mit Beginn des Zweiten Weltkrieges als Soldat gezogen. Das Foto zeigt ihn im Hof des elterlichen Hauses in Wischwill vor der "Veranda", die zu so vielen Häusern gehörte.

Im Jahre 1940 verstarb die Mutter von Paul Tiedtke, Minna, geb. Witt. Das Foto zeigt den Leichenzug mit dem interessant geformten Sarg auf dem Pferdewagen mit Kränzen und schwarzen Fahnenbändern. Wo Minna Tiedtke beerdigt wurde, ist nicht bekannt. Die, wie das Foto zeigt, zunehmend fröhliche Feier danach, das "Fellversaufen", fand in Wischwill statt.

Begräbnis der Urgroßmutter Minna Tiedtke, geb. Witt (Frühjahr 1940)
"Fellversaufen" nach dem Begräbnis der Urgroßmutter Minna Tiedtke
(Wischwill 1940)


Irma Tiedtke am Brunnen des Elternhauses (Wischwill Frühling 1942)
Ankunft in Wischwill mit der Kleinbahn (Emmy Gottschalk - Wischwill Sommer 1943)

Aufgrund der Tatsache, dass ein Betrieb zu bewirtschaften war, wurde Tochter Irma als Arbeitskraft im elterlichen Hause gehalten und brauchte nicht in den Reichsarbeitsdienst (RAD) zu gehen. Die Aufgaben waren vielfältig und beschränkten sich nicht nur auf das Wasserpumpen an der großen Pumpe im elterlichen Hof, wie auf dem Foto zu sehen.

Die Verbindung in die Welt war bereits seit Anfang des Jahrhunderts die Kleinbahn zwischen Pogegen und Schmalleningken, genannt "Feuriger Elias". Auf diesem Wege kam man in die nächste größere Stadt, also Tilsit, auf diesem Wege kamen auch die Heimaturlauber nach Hause, auf dem Foto eine Nachbarin der Tiedtkes, Emmy Gottschalk, vermutlich auf Urlaub aus dem RAD.

Johanne Tiedtke, geb. Leitner (Wischwill vor 1944)
Das Ehepaar Paul und Johanne Tiedtke nach dem Krieg (Meißen 1947)

1944 rückte die Front näher, es gab im Mai eine erste Evakuierung von älteren Frauen und Frauen mit kleinen Kindern nach Sachsen und ins Vogtland. Keine von Ihnen nahm an, dass sie nicht bald nach Hause zurückkehren würde. Die Portraitaufnahme von Johanne Tiedtke ist das letzte Foto von ihr in Wischwill.

Sie wurde in Meißen einquartiert, hatte dabei allerdings sehr großes Glück, da sie bei einem vermögenden Zahnarzt unterkam.

In dem letzten halben Jahr verblieben unter zum Teil chaotischen Zuständen auch Paul und Irma Tiedtke in Wischwill. Einmal wurde für einige Tage auf die andere Seite der Memel evakuiert, Soldaten zum "Erhalt der Heimatfront" waren einquartiert. Am Morgen des 7. Oktober 1944 trommelte ein Hauptmann den verbliebenen Tiedtke-Haushalt aus den Betten mit den Worten: "Mensch, steht auf, haut ab, die Russen kommen."

Auch dies galt als Evakuierung. Züge standen in Schillen für jene bereit, die keine Trecks bildeten. Am 14. Oktober 1944 kamen Paul und Irma Tiedtke in Meißen an. Das Ehepaar, bei dem Mutter Johanne bereits lebte, nahm auch sie herzlich auf. Paul Tiedtke erhielt als große Auftragsarbeit die Ausmalung des Meißener Traditionsrestaurants "Vinzenz Richter", sodass die Portraitaufnahme von Paul und Johanne Tiedtke aus dem Jahre 1947 fast ein wenig nach Wohlstand aussieht. In Wahrheit schlotterten ihnen die Kleider um die abgemagerten Körper.

Handwerkskarte von Paul Tiedtke

Paul Tiedtke war schon lange in Besitz einer Handwerkskarte. Mit der neuerlichen Zugehörigkeit zum "Reich" musste die Handwerkskarte - wie viele Dokumente damals - 1939 neu ausgestellt werden. Diese hat Paul Tiedtke 1944 nach Meißen mitgenommen, wiewohl er zweifellos des festen Glaubens war, nach vier Wochen wieder in den Zug zurück steigen zu können. Es gab keinen Zug zurück.

Die Handwerkskarte von Paul Tiedtke (1939)


Weitere Dokumente der Familie Tiedtke

Bitte hier klicken.


Zeichnungen von Paul Tiedtke

Diese Bilder zeichnete Paul Tiedtke nach dem Krieg. Weitere seiner Bilder sind auf der Seite von Wischwill zu finden.

Elch
Wischwiller Forst
Kranich

(Fotos und Erläuterungen von Gabriele Herbst, Tochter von Irma Tiedtke)