Handbuch der praktischen Genealogie/274

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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dieser Untersuchung. So bleibt es unklar, ob sich Prognathie und Unterlippe als ein Komplex oder als zwei Erbeinheiten vererben. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, daß starklippige Frauen in die Familie einheirateten und daß man nicht weiß, ob ihre Lippen vererbungsgeschichtlich der Habsburger Unterlippe gleich zu setzen sind. Sehr beachtlich ist, was Strohmayer S. 785 sagt: „Hier, wo wir es nicht mit einem eindeutigen Merkmal, wie bei Spalthand, Hypophalangie, Daltonismus oder Hämophilie zu tun haben, gibt es so fließende Übergänge, daß uns das Problem aus den Händen gleitet, wenn wir uns ernstlich daran machen, nach Mendelschen Proportionen zu suchen.“ Damit sind zugleich die Grenzen der Bedeutung des Porträts für die Vererbungslehre angedeutet. Es gibt Fälle, wo das Bild, insbesondere das nicht durch Photographie hervorgebrachte, nicht ausreicht, wo vielmehr am Körper selbst Messungen notwendig werden, wenn die Untersuchung zu einem zuverlässigen Abschluß gebracht werden soll.

      Ganz neuerdings ist Kekule von Stradonitz (Leipziger Neueste Nachrichten vom 23. Febr. 1913) dafür eingetreten, daß die Vererbung der Habsburger Lippe nicht in der von den Medizinern behaupteten Weise einfach nach Mendelschen Proportionen, sondern in einer komplizierteren Art vor sich gegangen ist. Es müssen weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand unternommen werden, ehe er einigermaßen als wissenschaftlich abgeschlossen gelten kann.

Porträtausstellungen.       Wie wertvoll aber immerhin das einzelne Porträt vom künstlerischen Standpunkt oder vom Standpunkt der Vererbungslehre aus ist, im Interesse der Pietät mag die Familie auch das minder wertvolle emsig sammeln und treulich behüten! Unglücksfälle aller Art, schwierige Verhältnisse in der Gesellschaft und Unverstand haben den Schätzen, die in den Bildnissen vorhanden sind, oft sehr übel mitgespielt. Darum ist ihnen ein schützendes und bleibendes Heim von Staats- oder Stadtwegen, wie es unsere Museen bieten, dringend zu wünschen. Man möchte auf diese oft wandernden Zeugen der Familiengeschichte das Wort aus Schillers Huldigung der Künste anwenden:

Wir kommen von fernher,
Wir wandern und schreiten
Von Völkern zu Völkern,
Von Zeiten zu Zeiten;
Wir suchen auf Erden ein bleibendes Haus.

      Es ist daher mit heller Freude zu begrüßen, daß unsere Museen angefangen haben, durch Sonderausstellungen von Porträts auch aus den Kreisen der einzelnen Familien das Interesse an diesen Kunstschöpfungen anzuregen. Von größtem Erfolge ist z. B. die Sonderausstellung gewesen, die der Direktor des Leipziger Stadtgeschichtlichen Museums, Prof. Dr. Kurzwelly, mit den Werken Leipziger Bildnismaler veranstaltet hat. Der erschienene Katalog[1] weist deutlich nach, welch ein Reichtum an Porträts in unseren Bürgerhäusern


  1. Stadtgeschtl. Museum z. Leipz. Katalog d.Sonderausst. „Die Leipz. Bildnismalerei von 1700–1850“. Mit 18 Abb. Leipzig, Altes Rathaus, 9. Juni bis 28. Juli 1912. Stadtgeschtl. Mus. zu Lzg. Das Bildnis i. Leipz. v. Ende des 17. Jht. bis zur Biedermeierzeit. Aus Anlaß d. v. Stadtgesch. Mus. z. Leipzig 1912 veranstalteten Porträtausstellung hrsg. v. Kurtzwelly, unter Mitwirkung von Dr. Eyßon, Dr. Briel und Hildeg. Heyne. Leipzig 1912. – R. Ehwaldt, Ausstellung von Gothaer Porträts aus der Zeit von 1640–1850. Veranstaltet vom Kunstverein zu Gotha vom 19. April bis 10. Mai 1908.