Königreich Westfalen/Gerichtsbehörden

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hierarchie

Regional > Historisches Territorium > Reichsdeputationshauptschluß > Kaiserreich Frankreich > Königreich Westfalen

Aufsicht: Ministerium der Justiz

Das Gerichtswesen des Königreichs Westfalen unterstand anfangs dem Ministerium des Innern und der Justiz, nach der Ressorttrennung dem Ministerium der Justiz.

Basis: Code Napoleon

Es wurde öffentlich verhandelt und im Namen des Königs Recht gesprochen. Der König allein konnte begnadigen oder eine Strafe mildern. Als Grundlage der Rechtsprechung diente der Code Napoleon.

Appellationsgericht in Kassel

Das oberste Gericht und Berufungsinstanz für die Urteile der Distriktstribunale stellte das Appellationsgericht in Kassel dar. Es setzte sich aus drei Präsidenten, einem Generalprokurator, 26 Richtern und drei Substituten zusammen. Es arbeitete in drei Sektionen mit je einem Präsidenten und sechs Richtern. Kassierte Urteile gingen vom Staatsrat an das Appellationsgericht zurück, das unter Mitwirkung sämtlicher an dem aufgehobenen Urteil nicht beteiligter Richter ein neues Urteil fällen mußte.

Geschworenengericht im Departement

Jedes Departement verfügte über ein Geschworenengericht, bestehend aus einem Präsidenten, zwei Richtern und einem Generalprokurator. Die Präsidenten gingen durch Berufung aus den Richtern des Kasseler Appellationsgerichts hervor. Das Gericht fungierte als Kriminalgericht.

Ziviltribunal im Distrikt

Jeder Distrikt besaß ein Ziviltribunal (erster Instanz) Es setzte sich aus einem Präsidenten, fünf Richtern und einem Prokurator zusammen. Vor dem Ziviltribunal wurden alle dinglichen, persönlichen und gemischten Klagen behandelt. Ausgenommen blieben die vor die Friedensgerichte gehörigen Sachen, Handelssachen an Orten, an denen ein Handelsgericht bestand, und der Zuständigkeitsbereich der Munizipalpolizei. Die Zuständigkeit des Distriktstribunals in Schuldforderungen nach der Instanz richtete sich nach Höhe und Wert der Forderung oder des Gegenstandes. Berufungen gegen Urteile der Friedensrichter kamen, soweit Appellation möglich war, vor das Distriktstribunal.

Friedensgerichte

Die Friedensgerichte bestanden aus einem Friedensrichter, zwei Gehilfen und einem Sekretär. Das Gericht stellte die unterste richterliche Instanz dar. Es war zuständig in Schadensersatz-, Besitzstands-, Arbeitsrechtsfragen, bei Beleidigungen, Versiegelung, Annahme an Kindesstatt, Vormundschaftssachen, Eingriffen bei Gefahr im Verzuge usw. Der Friedensrichter führte auch die Voruntersuchung in Kriminalangelegenheiten. Appellationsfähige Sachen gingen in zweiter und letzter Instanz an das Distriktsgericht.

Prokuratoren bei Gericht (Staatsanwaltschaft)

Die bei den Gerichten amtierenden Prokuratoren (Procureurs du Roi) stellten Beauftragte (Agents) der Regierung dar. Sie achteten auf Befolgung der Gesetze, Verfolgung aller Vergehen und Verbrechen sowie Durchführung der Urteile. Sie entsprachen also den heutigen Staatsanwälten.

Die Generalprokuratoren an den Kriminalgerichten führten die Aufsicht über alle Beamten der gerichtlichen Polizei innerhalb ihres Departements. Dagegen beaufsichtigten die Prokuratoren der Ziviltribunale die Friedensrichter, Notare, Hypothekenkonservatoren und Zivilstandsbeamte ihres Distrikts.

Notare

Die Notare verwalteten die freiwillige Gerichtsbarkeit. Unter ihnen gab es zwei Gruppen: Distriktsnotare und Kantonsnotare.

Neue Gerichtsordnung

Die neue Gerichtsordnung wurde durch Dekret vom 17. Februar 1808 mit Wirkung vom 1. März 1808 eingeführt. Bis dahin führten die alten Gerichte ihre Rechtsprechung fort. Nur die Patrimonialgerichte, Offizialate und Konsistorien sowie die Rechtsprechung der Verwaltungsbehörden hörte bereits im Januar 1808 auf.