Lebenshaltung 1864 (Kreis Coesfeld)

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Lebenshaltung 1864: Informationen über zeitliche Lebensbedingungen unserer Vorfahren geben ein Abbild der lokal bodenständigen Menschen in ihren Zeitverhältnissen um damit eine Basis zur Darstellung persönlicher Geschichte von Vorfahren in Zeit und Raum zur Anlage von Biografien.

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Beschwerliche Lebenshaltung

Städtische Unterklasse

Vier Städte gab es bei der Gründung des Kreises Coesfeld. Innerhalb der Stadtmauern gab es keine Gärten. Ohne einen eigenen oder gepachteten Garten ging es früher nicht, diese lagen außerhalb der Stadtmauern. Der Anbau von Gemüse lieferte die Ernährungsgrundlage der Stadtbewohner, nur wenige besser gestellte Mitbürger in den Städten konnten darauf verzichten.

Ein eigenes Beet, einen Verschlag für ein Mastschwein, einige Hühner oder Gänse, konnten der Familie einesTagelöhners schon ein Grundauskommen sichern. Dies auf dem Lande eigentlich regelmäßig der Fall. Bei einer Untersuchung für die Stadt Haltern ergab sich, daß um 1810, bezogen auf alle Familien, 35 Prozent über keinerlei Grundbesitz verfügten, und auf private, städtische oder kirchlichen Gartenverpachtungen angewiesen waren.[1]

Ländliche Unterklasse

Auf dem Lande, im Kirchspiel, außerhalb der Stadtmauern, wurden die landwirtschaftlichen Handarbeiten bei Vollerwerbsbetrieben im Haus und auf dem Felde durch Gesinde und Tagelöhner verrichtet, wobei die Tagelöhner nicht mit in die häusliche Familie eingebunden waren.

Als Tagelöhner auf dem Lande lebten sie als Einwohnerfamilien beispielsweise in Backhäusern, Speichern oder Altenteilerwohnungen auf dem Grund eines größeren bäuerlichen Betriebes. Außer niedrigen Lohn in barem Geld, erhielten sie dann freie Wohnung und freie Nutzung eines kleinen Garten- oder Ackerstückes und ähnlicher Vorteile. Dafür hatten sie zu jeder Zeit zur Disposition zu stehen.

Wohnungen in den Städten

1864: Die Wohnungen der Tagelöhner und geringen Gewerbetreibenden waren derzeitig in der Regel sehr beschränkt. Es kamen Einraumwohnungen oder Gademe in Betracht, aber auch Kleinwohnflächen mit Kochstelle, Wohnstube (mit Webstuhl) und einer bis höchstens zwei Kammern, etwas Keller und Bodenraum und manchmal Stallung für eine Ziege. Diese Räume waren dazu sehr niedrig und klein, dann auch meistens im schlechten baulichen Zustand. Befand sich das Haus im Eigenbesitz, war es häufig so mit Schulden belastet, das die Zinsen etwa einer vergleichbaren Miete entsprachen. Vergleichbare Hausbewertungen lassen sich den lokalen Brandkatastern für die städtischen und ländlichen Bezirke, mit Hausnummerangaben, entnehmen.

Für eine solch geringe Wohnung dieser Art wurde gerechnet auf dem Land 4 bis 6 Taler und in den Städten 10 bis 16 Talern Miete im Jahr. So wird 1864 der Jahresmietwert angegeben in der

  • Stadt Haltern Mietwert einer Lehrerwohnung 15 Taler
  • Bauerschaft Mietwert der Lehrerwohnung 10 Taler
    • Währung: 1838 - 1873 in Preußen: 1 Taler = 30 Silbergroschen = 360 Pfenni(n)g
    • Währung: 1871–1873 wurde in allen deutschen Ländern der Taler durch die Mark (= 1/3 Taler) zu je 100 Pfennig abgelöst

Regelbedarfsberechnung 1864

1864: Wird bei der Ermittlung des Regelbedarfs für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt eine städtische Arbeiterfamilie als Norm genommen, welche damals üblicherweise aus Mann und Frau mit etwa 3 Kindern bestand, von denen eins schulpflichtig, die zwei übrigen aber noch kleiner waren, so dürfte mit Rücksicht auf die Betreuungspräsenz der Ehefrau und den dadurch nur durch den allein erwerbsfähigen Mann angenommen werden, dass im Laufe des Jahres 1865 folgende Ausgaben in bar erforderlich waren:

Nr. Ausgabenart bei jährlicher Haushaltsplanung Aufwand
Taler
a. * an Wohnungsmiete usw. 12
b. * für Feuerung (Holz) für die Feuerstätte und Licht (Petroleum, Öl, Kerze) 10
c. * für Kleidung und Wäsche 15
d. * für Hausgeräte und Werkzeuge 5
e. * an Staatssteuern 1
f. * an Schulgeld und Kommunalsteuern 2
g. * an Gartenmiete (Pacht) 5
h * an Viktualien (Lebensmittel) etwa 50
-.- ** überhaupt also pp. (zusammengefaßt) die Summe von 100
-.- unter Position "h." wird von Folgenden Ausgaben ausgegangen: Aufwand
Taler
-.- für Schwarzbrot (1 1/2 Malter Roggen) 18
-.- für Weißbrot 2
-.- für Fleisch und Fett pro Tag 1 Silbergroschen 12
-.- für Milch 2
-.- für Kaffee 2
-.- für Cichorien 2
-.- für Salz und Gewürze 1
-.- für Butter 6
-.- für Kartoffeln und Gemüse, da der Garten gewöhnlich nicht den vollen Bedarf deckt 5
-.- Summa für "h."[2] Aufwand
Taler

Arbeitseinkommen

Keine Sozialversicherung

Ein Aufwand für Arzneimittel oder Arztkosten wurde nicht berücksichtigt, da die Krankenversicherung erst später eingeführt wurde. Krankheiten bargen ein enormes Risiko und Lohnausfall, man fühlte sich durchweg hilflos und ausgeliefert, Hochkonjunktur für Aberglauben und Amulette.

Dürftige Verhältnisse noch 1881

Am 15.06.1883 verabschiedete der Reichstag ein Gesetz über die Krankenversicherung für Arbeiter, nicht für Angestellte. Gewerbliche Arbeiter, die länger als eine Woche beschäftigt waren und nicht mehr als 2.000 Mark jährlich verdienten, unterlagen von nun an der Krankenversicherungspflicht.

Fußnoten

  1. Quelle: Stratmann, Bodo (Bearb.): Die Lebensverhältnisse in der Stadt Haltern in der Übergangszeit von 1769 bis 1816 (2015, Verein für Altertumskunde und Heimatpflege e.V. in in Haltern am See)
  2. Quelle: Mersmann: Statistische Nachrichten über den Kreis Coesfeld 1862. (Münster, Fr. Regensberg)