Evangelische Kirche Gutschdorf (Kreis Schweidnitz)

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Festschrift 1932

Festschrift "Kirchenkreis Striegau in Geschichte und Gegenwart - Festschrift zur General-Kirchenvisitation 1932", Herausgegeben von Pastor P. Hechler, Saarau i. Schl.


Gutschdorf (Kreis Schweidnitz)

Als nach Tagen des Schweigens unsere Glocken die Christnacht 1931 einläuteten, war es für viele, die das Gotteshaus besuchten, eine besondere Freude. Der alte Glockenstuhl aus Holz hatte durch einen neuen eisernen ersetzt werden müssen, die Glocken waren dabei um 90 Grad gewandt worden und haben nun einen volleren helleren Klang. Sie läuten nun weit über 400 Jahre; die Große, 1494 gegossen, ist ein Werk des Meisters „steffan grofe“ aus Breslau; die Kleine ist nach Metall und Form aus derselben Zeit. Beide haben Kunstwert und durften daher auch während des Krieges weiter ihren ehernen Ruf erschallen lassen.

In einer Urkunde von 1376 wird die Kirche in Gotskalci villa (Gottschalksdorf = Gutschdorf) erwähnt; in ihr ist bald nach dem Einzug der Reformation in Schlesien das Evangelium nach Luthers Lehre gepredigt worden. Am 13. Dezember 1653 wurde sie durch die sogenannte Reduktionskommission für die Evangelischen geschlossen. Die Evangelischen der drei Gemeinden Ober-Gutschdorf (Kohlhöhe), Mittel-Gutschdorf und Nieder-Gutschdorf, deren Zahl im Jahre 1800 zusammen mit 638 (katholisch 42) angegeben wird, gingen in den Liegnitzer Kreis nach Jenkau, Bränowitz, später nach Jauer, wenn sie den Gottesdienst besuchen und das heilige Abendmahl feiern wollten. Im Sommer haben sie sich im nahen Walde der „Saare“ zum Gottesdienst zusammengefunden. Nach Erbauung der evangelischen Kirche in Großrosen 1768 schlossen sie sich nach und nach der Kirchengemeinde Großrosen an. 1770 wählten von 27 Wirten aus Nieder-Gutschdorf 25 Großrosen, 2 Striegau zu ihrem Kirchort, Mittel-Gutschdorf und Kohlhöhe hielten sich ebenfalls zu Großrosen, aber erst 1814 traten die Evangelischen vollzählig als Gastgemeinde der Kirchengemeinde Großrosen bei. Von Kohlhöhe wird noch besonders berichtet, wie sonntäglich ein langer Zug Kirchgänger über Gutschdorf nach Großrosen sich bewegte, im Frühjahr und Herbst bei schlechtesten Wegen.

Am 25. Juni 1839 versammelten sich auf Einladung der königlichen Regierung in Breslau die evangelischen Väter der drei Gemeinden zu einem Ortstermin. Gemäß des Edikts Friedrich Wilhelm III. wurde ihnen die Kirche mit Turm, Glocken und Inventar zum Eigentum übergeben. Nach Schließung der Kirche 1653 war katholischer Gottesdienst in ihr nachweislich nicht gewesen, von Begräbnisfeiern abgesehen, bei welchen Evangelische wie Katholiken in gleicher Weise die Kirche benutzt hatten, Somit gehörte die Kirche den Evangelischen. Der kirchliche Besitz, 123 Morgen Ackerland, verblieb der katholischen Kirche zu Striegau. Als 1840 die Regierung zu Breslau anfragte, ob die Evangelischen ihr eigenes Kirchensystem mit Pastor haben und gründen wollten, mußten sie antworten: Ja, aber es fehlen uns die Mittel hierzu. So hatten sie ihre Kirche und mußten doch an ihr vorüber nach Großrosen gehen. 1846 nahmen sie die erste Renovation vor, bei der ihr der damalige Besitzer und Patron Graf von Richthofen, Kohlhöhe, besonders half. Von 1863 an hielt der Geistliche aus Großrosen in der Advents- und Passionszeit regelmäßig je zwei Gottesdienste ab. 1866 regte der Besitzer des Rittergutes Gutschdorf, Freiherr von Richthofen, Barzdorf, beim Konsistorium an, einen Kreisvikar anzustellen, der jeden zweiten Sonntag in Gutschdorf predigen solle. An Stelle des gewünschten Kreisvikars sandte das Konsistorium 1868 einen Vikar nach Großrosen mit dem Wohnsitz in Gutschdorf. Freiherr von Richthofen, Barzdorf, lieferte Material zur Herstellung des Gestühls, des Chores, der Kanzel und des Altarraumes, soweit dies nicht hatte 1846 geschehen können, und in Verbindung mit der Gemeinde sowie mit Hilfe des Freiherrn von Richthofen, Kohlhöhe, wurde die Kirche innen und außen völlig erneuert, 1868 am 3. November wurde sie eingeweiht. Vikar Hartmann hielt nun regelmäßig Gottesdienst. Doch erst 1871 wurde das Gastverhältnis der Evangelischen zur Großrosener Kirche gelöst und Gutschdorf eigene Kirchengemeinde mit eigenem Pastor.

1839 hatte Graf von Richthofen bei der Rückgabe der Kirche sich vorbehalten, das Patronat zu übernehmen, sah aber davon ab. Dasselbe tat nach Errichtung der Kirchengemeinde Freiherr Ullrich von Richthofen, So daß kein Patronat besteht, sondern Kollatur, deren Ausübung den Besitzern der Rittergüter Gutschdorf und Kohlhöhe zusteht. Auf Veranlagung des Fürstbischöflichen Stuhls in Breslau wurde von dem Minister der geistlichen Unterricht- und Medizinalangelegenheiten ein Regulativ im Jahre 1867 erlassen, wonach den Katholischen, welche das Eigentumsrecht der Evangelischen an der Kirche und deren Besitzergreifung nicht anerkannten, 14 Gottesdienste im Jahre zugebilligt wurden, daher haben wir den Beichtstuhl in unserer Kirche.

Die Bevölkerung der drei Gemeinden lebte ursprünglich von der Landwirtschaft. In Kohlhöhe wie in Gutschdorf waren je ein Rittergut, daneben bestanden insgesamt 79 Freistellen und Häuslerstellen; die Männer fanden im Winter zum Teil Beschäftigung im Walde. Heute sind die drei Gemeinden zu drei Viertel der Bevölkerung Industriegemeinde. Die Arbeit in den Steinbrüchen brachte schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einzelnen Familien Brot und Erwerb. Diese Erwerbsmöglichkeit stieg und war groß in den Jahren vor dem Kriege und mehr noch nach dem Kriege. Noch bis vor 11/2 Jahren waren es durchschnittlich 250 Männer von 17 bis 65 Jahren, welche in die nahegelegenen Steinbrüche zur Arbeit fahren konnten, jetzt ist es kaum noch der zwölfte Teil, der arbeitet. Von noch größerer Bedeutung für das wirtschaftliche Leben war die Gründung der Zuckerfabrik in Nieder-Gutscbdorf im Jahre 1860. Ihr anfänglich kleiner Betrieb brachte den kleineren Wirten während der Rübenkampagne lohnende Beschäftigung und zog Handwerker von auswärts heran, die hier ansässig wurden. Die Bautätigkeit, besonders in Nieder-Gutschdorf, setzte ein, mancher gab von seinem Besitz Acker ab zu Bauplätzen, den er nicht so ausnutzen konnte, und arbeitete in der Fabrik. In den 90er Jahren sind in Kohlhöhe mehrere Stellen eingegangen, den Acker kaufte der damalige Besitzer Freiherr Carl von Richthofen, nicht um des Landerwerbs willen, sondern um wucherischer Ausbeutung durch fremde Elemente entgegenzutreten. Wirtschaftsgebäude wurden zu Wohnhäusern ausgebaut, die kleineren einstöckigen Häuser mit Strohdach sind verschwunden, an ihrer Stelle stehen zweistöckige Mietshäuser. Durch Industrialisierung erfolgte mehr und mehr ein Ab- und Zuwandern der Bevölkerung, welches bis zu Kriegsanfang im Leben der Kirche spürbar war.

Die Väter unserer Gemeinde haben die Gefahr, die sich aus dieser veränderten Lebens- und Verdienstmöglichkeit ergab, erkannt und voll gewürdigt. Die Besitzer der Dominien in Gutschdorf wie in Kohlhöhe, die Gründer der Zuckersiederei, und mit ihnen einfache Männer der Gemeinden haben ihre Person, ihre Arbeit und ihr Geld eingesetzt, um dem Kirchlein, welches mit seinem alten Turm vor den ihn überragenden Schornsteinen fast verschwindet und inmitten der Gebäude, die sich im Laufe der Jahrzehnte ringsum erhoben und die Kirche einengen, die Bedeutung als Mittelpunkt geistlichen und religiös-sittlichen Lebens zu geben und zu erhalten. Sie haben es bekannt in der Errichtungs-Urkunde anläßlich der obenerwähnten Gründung der Kirchengemeinde 1871. Die Gemeinden sind gewachsen von 638 Evangelischen ums Jahr 1820 zu 1670 im Jahre 1925. Mit ihnen wuchs die kirchliche Arbeit, deren Notwendigkeit die Vertreter der Gemeinden erkannt und unterstützt haben. 1874 wurde auf dem Dominium Nieder-Gutschdorf eine Kleinkinderschule errichtet, getragen vom Dominium und der Zuckersiederei. 1921 wurde neben der Schwester für die Kleinkinderschule, welche sich seit 1920 in einem Fabrikgebäude befindet, eine Schwester für Gemeindepflege angestellt. Diese Station ist 1925 vor der politischen Gemeinde Gutschdorf übernommen worden. In Kohlhöhe übt eine in Oberstreit stationierte Schwester die Gemeinde- und Krankenpflege aus, sie gehört dem Mutterhause in Mertschütz, die Gutschdorfer Schwestern dem in Frankenstein an. Anfänglich hatte der Geistliche eine Dienstwohnung im Gartenhaus des hiesigen Parkes. Um der Gemeinde ein Pfarrhaus in der Nähe der Kirche zu schaffen, erwarb Freiherr U. von Richthofen das einzig mögliche Stück Land, eine Wiese, von der katholischen Pfarrwidmuth gegen Tausch eines gleich großen Stückes Wiese seines Dominiums. Darauf erbaute er im Jahre 1879 das neue Pfarrhaus, welches der damalige Pastor Meißner 1880 bezog.

Der an der Kirche nach der Straße zu liegende Kirchhof wurde 1869 durch das im Westen anstoßende Gelände erweitert, 1300 Fuhren Boden, ausgehoben aus dem danebenliegenden Fabrikteich, dienten zur Aufschüttung der ursprünglichen Wiese. Bis 1924 reichte dieser Friedhof für die drei Gemeinden. Lange vorher suchten wir nach geeignetem Friedhofsgelände außerhalb des Dorfes, bis es uns die Zuckersiederei ermöglichte, durch Tausch zweier Ackerparzellen, ein Stück an der Chaussee nach Striegau als Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde zu erwerben. 1926 erhielt der neue Friedhof eine Mauer. 1928 wurde der Gemeinde Kohlhöhe der langersehnte Wunsch, einen eigenen Friedhof zu besitzen, erfüllt. Der von dem früheren Besitzer des Gutes überlassene Platz für das Kriegerdenkmal wurde erweitert und der Kirchengemeinde als Geschenk überlassen. Alle Bewohner der Gemeinde Kohlhöhe und des Vorwerks Sanderhof, ohne Unterschied der Konfession, beerdigen dorthin.

Mit der Ausdehnung der Gemeinden wuchsen auch die Schulen. Bei Errichtung der Parochie war eine Schule mit einem Lehrer in Mittel-Gutschdorf, dessen Amt damals organisch mit der Organistenstelle verbunden wurde. 1875 wurde dies Schulhaus verkauft, in Nieder-Gutschdorf wurde dafür ein Schulhaus für zwei Lehrer gebaut. 1901 wurde auch für die Gemeinde Mittel-Gutschdorf eine Schule für zwei Lehrkräfte errichtet. Nach Vereinigung beider Schulen zu einem System im Jahre 1921 ist ein sechsklassiges Schulsystem mit sechs Lehrkräften und Rektorat geschaffen. In Rücksicht auf die katholischen Schulkinder, welche vom zehnten Lebensjahre an in die katholische Schule nach Großrosen gingen, wurde auf Beschluß des Schulvorstandes eine der sechs Lehrerstellen in eine katholische Lehrerstelle umgewandelt, „unbeschadet des Charakters der Gesamtschule als evangelische Schule“. In Kohlhöhe hat sich das Schulwesen ebenfalls entsprechend erweitert; aus der Hilfsschule, wie sie noch um 1800 bestand, versorgt von dem Lehrer aus Gutschdorf, welcher in der Stube eines dem Dominium gehörigen Hauses unterrichtete, wurde 1871 eine selbständige Schule in eigenem Hause mit einem Lehrer. 1923 wurde eine zweite Lehrerstelle errichtet. Im vorigen Jahre konnte das der Zeit entsprechend neuerbaute Schulgebäude seinem Zweck übergeben werden.

Als wir am 3. November 1918 das 50jährige Bestehen unserer Kirchengemeinde feierten, haben wir es unter dem Eindruck des nahen Zusammenbruchs unseres Vaterlandes ganz in der Stille getan, aber mit innigem Dank zu Gott, der sich zu unserer Kirche bis dahin bekannt hat, und mit der Bitte, wie sie der Festprediger Pastor Meißner aus Breslau, Sohn des zweiten Geistlichen in unserer Kirche, im Abendgottesdienst des genannten Tages der Gemeinde nahelegte: „Herr, laß ein Neues werden!“ Die Wirren der nachfolgenden Jahre blieben nicht ohne Einwirkung auf das kirchliche Leben; mancher hielt sich fern, der sonst gekommen war. Der Krieg hatte in der Gemeinde Opfer gefordert, 99 Männer und Söhne, die ausgezogen waren, sahen die Ihrigen nicht mehr wieder. Ihre Namen nennen die zwei Gedenktafeln im Altarraum, welche, in der Warmbrunner Holzschnitzschule angefertigt, wir 1922 den Gefallenen widmen konnten. Die Wohnungsnot, die Rationierung der Lebensmittel und die Inflation wirkte gerade in unserer Gemeinde besonders ungünstig. Der Brand der Zuckersiederei am 5. Januar 1919, noch vor Beendigung der Kampagne, brachte plötzlich eine Arbeitslosigkeit, die man bis dahin noch nicht kannte. Die Stürme von damals sind vorüber. Mancher hat den Weg zum kirchlichen Leben wieder zurückgefunden. Schwierigkeiten äußerer Art sind behoben. Die brennende Wohnungsnot suchte man nach Möglichkeit zu beseitigen. 27 Häuser wurden gebaut, darunter von der Gemeinde Gutschdorf (Mittel- und Nieder-Gutschdorf), welche 1923 zusammengelegt wurde, fünf Sechsfamilienhäuser und ein Siebenfamilienhaus, von der Gemeinde Kohlhöhe ein Sechsfamilienhaus. Dadurch wurden 120 Wohnungen geschaffen. Die Zuckersiederei baute in Fabrikgebäuden 13 Wohnungen aus, doch warten immer wieder junge Paare auf freiwerdende Wohnungen. Nordöstlich über dem Bahnstrang ist die Siedlung Neu-Gutschdorf mit elf Häusern entstanden, auch Neu-Sorge genannt, da sie den Siedlern und Mietern durch hohe Mieten und Lasten neue Sorgen angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit bringen, Neu-Sorge auch für die Gemeinde und das kirchliche Leben! Ende März hatten wir gegen 600, einschließlich 55 Ausgesteuerten, Arbeitslose. Das stellt uns vor neue Aufgaben. Durch Schaffung von Wohnungen und durch Verheiratung hiesiger Töchter und Söhne mit Zuziehenden kommen zum Teil in vielfacher Beziehung fremde Elemente in die Gemeinde. Doch bisher hatten wir immer einentreuen Stamm, der aushielt und zusammenhielt und für alle Fragen des kirchlichen Lebens ein rechtes Verständnis bewies. Diese Getreuen werden weiter arbeiten im Aufblick zu dem, der der Herr der Kirche ist und der seine Gemeinde sammelt. Pastor Menzel, Großrosen, sowie dessen Nachfolger, Pastor Maydorn, haben den Kampf der Gutschdorfer um ihre neuerhaltene Kirche miterlebt. Besonders der erstere hat die Festigkeit und Treue vieler aus seiner Gastgemeinde kennengelernt. Mit seinen Worten möchte ich schließen. Als die Kirche zum ersten Male renoviert für den Gebrauch möglich gemacht wurde, hat er gesagt: „Möge in dieser Kirche, Solange sie stehen wird, das lautere Evangelium von Jesus dem Gekreuzigten und Auferstandenen, Menschen, die nach Heil verlangen, gepredigt werden.“

Kunze

Pastoren: Hermann Hartmann, Vikar, vom 1. November 1868 bis 1. Mai 1871, Pastor vom 1. Mai 1871 bis 1. Mai 1876. Eduard Meißner, vom 1. Oktober 1876 bis 1. Dezember 1881. Nicolaus Peisker, vom 1. April 1882 bis 1. Oktober 1912, Superintendent der Diözese von 1903 bis 1912. Theodor Kunze vom 1. Dezember 1912.

Pfarramt: Pastor Kunze. Seelcnzah1 1670. Kirchliche Gebäude: Kirche und Pfarrhaus mit Wirtschaftsgebäude. Diakonissen: 2 Frankensteiner Diakonissen, 1 Mertschützer Diakonisse. 1 Kindergarten. Vereine: Jungmädchenverein, Kirchenchor.

Daten aus dem Geschichtlichen Ortsverzeichnis

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