Schlesisches Namenbuch/027

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Schlesisches Namenbuch
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I. Taufnamen: a) altdeutsche b) slawische

II. Herkunftsnamen  |  III. Berufsnamen
IV. Übernamen

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  • Namenerläuterungen und -nachweise werden mit einfachem Doppelpunkt (:) eingerückt.
  • Abkürzungen gemäß S. 13 (Benutzte Adreßbücher) werden aufgelöst und die Häufigkeitsangabe wird in eckigen Klammern wiedergegeben, also Lg33 = Liegnitz [33]
  • Außer Orts- und Familiennamen bleiben alle übrigen Abkürzungen unaufgelöst und werden, wenn nötig, gemäß ER zur Verhinderung des Zeilenumbruchs mit geschütztem Leerzeichen (&#160;) erfasst (also z. B. statt z.B.).
  • Vor 'Belege' wurde immer ein Halbgeviertstrich '–' (ALT+0150) gesetzt. (Entfiel im Original, wenn 'Belege' am Satzanfang stand.)

smaln hochvart (= Hoffahrt), mit der husvrowe und dgl., wenn sie nicht rechtzeitig Umformung oder Kürzung erfuhren: so etwa mit dem barte = Barth, mit dem dumen = Daum, mit der schrammen = Schramm, uf der stelczen = Stelzner, mit der ebentewer = Ebentheuer, mit der tuben = Teubner usw. oder bei Wohnstättennamen: by dem borne = Bormann, by dem viwege = Fiebig(er), am ende = Mende u.v.a. Bei Körperteilnamen wie Drydumen und Eilffinger mag die obszöne Bedeutung ihren Untergang beschleunigt haben. – Die Farbbezeichnungen meinen fast durchweg die Haarfarbe, eines der ältesten Unterscheidungsmerkmale für Personen gleichen Rufnamens; Grün und Blau beziehen sich deshalb auf die Kleidung (Grünrock, Blauhose). Vier schlesische Herzöge namens Konrad sind überliefert als K. der Wyße, K. der Swarze, K. der Rote und K. der Kale. Vier Mitglieder einer Breslauer Familie namens Hering (= Heringshändler) unterschied man als Heinrich der wyße Hering, der blinde H., der kale H., der geslagene H.

Auch der Zusatz Jung(e) – in Jungandreas, Junghans, Jungenitsche meint nicht einen Jugendlichen schlechthin, sondern den Sohn zum Unterschied vom gleichnamigen (!) Vater oder sonstigen Verwandten, hat also geradezu patronymischen Sinn wie unser junior. Zu ähnlicher Unterscheidung diente auch Groß- und Klein-, urkundlich jedenfalls für gleichnamige (!) Brüder; für großen Wuchs dagegen gebrauchte man vorzugsweise Lang(e)-, im Gegensatz zu Kurze-, also: der lange Hensil, lange Nitsche, und diese volkstümliche Sprechform lebt in FN. wie Langhans, Langdietrich (so schon im 14. Jh.) fort. Mit der Umstellung des Adjektivs unter schriftsprachlichem (lat.) Einfluß (vgl. Karolus Magnus) drang die „starke“ Adjektivform vor, so daß wir heute als schlesische Besonderheit zahlreich er-Formen haben wie: Langer, Großer, Kleiner, Kahler, Rother, Schwarzer, Brauner, Gruner, Stiller, Kluger, Karger, Rauer usw. Daß diese Erscheinung nicht vokativischen Ursprungs sein kann, ergibt sich schon aus ihrer Beschränkung auf Schlesien (nebst seinem Hinterland Böhmen), wo die er-Form in der Grafschaft Glatz und in Oberschlesien auffallend überwiegt, während die schwache e-Form in Niederschlesien vorherrscht! Das ist nur zu verstehen, wenn man die gleichlautenden Herkunftsnamen auf (obd.) -er daneben hält: von den Ortsnamen Grunau (gesprochen Grune), Braunau (Braune), Schönau (Schöne), Großau (Große) usw. bildete man schon im 14. Jh. die mundartlichen Formen Gruner (statt Grunauer), Brauner, Schöner, Großer usw., urkundlich auch Steiner statt Steinauer. Dies allgemeine Nebeneinander von e- und er-Formen (auch innerhalb der Herkunftsnamen wie Heide – Heider, Gloge – Gloger) mußte durch Systemzwang zu Analogiebildungen führen, wie sie uns in den Eigenschaftsnamen auf -er vorliegen. Von einer „starken“ Adjektivform kann man also nur bedingt sprechen. Vergleichen läßt sich hierzu die analoge Erscheinung bei den schlesischen Metronymika auf -ner, die durch Anlehnung an die zahlreichen Herkunftsnamen auf -ner wie Langner, Elsner usw. zu einem schlesischen Spezifikum geworden sind.

Durch Antritt eines sekundären -t, eines gleichfalls schlesischen Elementes, das wir schon bei den Herkunfts- und Berufsnamen beobachten konnten (vgl. Steinert und Peuckert), erhalten wir seit dem 16. Jh. die Nebenformen Grunert, Kahlert, Kleinert, Rothert usw.[1] Auch diese Erscheinung beruht auf Analogiewirkung, insofern das geschichtlich gewordene Nebeneinander von echten ert- und er-Bildungen Unsicherheit im Sprachgefühl zur Folge hatte.


  1. Näheres in meinen "Beiträgen zur Geschichte d. dt. FN." (Zeitschrift für Mundartforschung „Teuthonista“ 3, 1926, S. 33 ff.)