Australische Auswandererbriefe (1934)/31

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
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Alles, was in Deutschland geboren war und nicht in Australien, wurde in große Lager gesteckt. Das war widerlich anzusehen, Menschen hinter Stacheldraht. Ihr Besitz und ihr Vermögen wurden beschlagnahmt. Und wenn sie schon 30 Jahre im Lande siedelten, das half alles nichts. Zu uns kamen sie 1914; daß sie uns unsere Ortsnamen englisch machten, dagegen konnten wir uns nicht wehren. Als sie aber von hinten herum mit dem Ansinnen kamen, wir sollten unsere Familiennamen anglisieren, flogen sie Farm bei Farm im hohen Bogen vor das Tor. Ausgemachte Schweinehunde waren das, die da forderten, aus jedem Hause müsse sich einer freiwillig zum Heeresdienst melden. Mein ältester Bruder Wilhelm bot als Arzt seine Dienste an, um der Mutter und dem Vater Schikanen zu ersparen. Sie sagten: danke! - und nahmen ihn. Aber das sollte nicht gelten; denn sie hatten es ja besonders auf uns deutsche Farmerjungs abgesehen. Vater und alle hier hätten keinen Buschel Getreide verkaufen können, trotz des Riesenbedarfs, wenn wir nicht gehorcht hätten. Also meldete ich mich freiwillig anfangs 1915. Es ging gut: ich kam nach Ostafrika, wurde aber fieberkrank und blieb an der Küste in der Etappe und kam nicht an den „Feind“. Schlimmer ging es ein paar anderen aus unserer Freundschaft; die kamen nach Flandern und haben den Weg nicht zurückgefunden. Vor unsern Kirchen stehen allenthalben Heldensteine. Liest Du die Namen; erschrickst Du. Unter jedesmal zehn Namen sind acht deutsche. Seht, so kamen wir in Gewissensnöte.

      Mutter ist 1917 gestorben. Als ich von ihr 1915 Abschied nahm, wußte ich, daß ich sie nicht wiedersah. Die Woche zuvor hatte man Tante Emmis Mann, der 32 Jahre schon hier sitzt, nach Eudundu ins Lager geschleppt. Das hat ihr den ersten Stoß gegeben. Dann zog ich weg. Dann mußte Bruder Wilhelm als Arzt in eine gefährliche Seuchenstation. Sie hat es nicht überlebt. Meine Schwester Emilie hat wohl am schwersten zu tragen. Sie verlobte sich 1915 mit dem Sohn eines deutschen Baumeisters aus Melbourne. 1916 ging sein Transporter nach Afrika. Er ist nie dort angekommen. Wahrscheinlich hat ihn ein deutsches U-Boot gefaßt.

      Furchtbarer fast noch aber war die Ungewißheit über die Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Was unsere Zeitungen brachten, war ja erstunken und erlogen, das spürten wir sofort. Trotzdem - was meint Ihr, wie verrückt sich die englische Bande gebärdete, als in den Stadtkinos die gemeinen Filme mit den deutschen „Kriegsgreueln“ in Belgien vorgeführt wurden. Den wahren Hergang des Krieges kennen wir heute noch nicht. Die Nachricht von Hindenburgs Sieg bei Tannenberg und dem Zusammenbruch Rußlands haben wir wahrheitsgetreu erst 1920 erfahren. So dicht schloß die Haßmauer unser Deutschtum hier von der andern Welt ab.

      Herzzerreißende Szenen spielten sich dann ab, als man die Internierten zwangweise nach Schluß des Krieges nach Deutschland abschob. Um ein Haar, so hätte Tante Emmys Mann seine Farm nicht wiedergesehen. Da hättet Ihr aber Vater mal sehen sollen, wie der in Adelaide auftrumpfte. Ich war noch in Uniform, deshalb ging ich ja mit. Es hätte nicht viel gefehlt, er hätte ihnen mit seinem Gutentagstock den ganzen Kram durcheinander gewichst. „Was?“ brüllte er. „Ihr wollt ehrlichen deutschen Farmern ihr Eigentum stehlen? Hammelschwänze ihr, was wäre denn Euer Dreckaustralien ohne deutsche Farmerarbeit? Einen Saustall hättet Ihr hier, aber keinen geordneten Staat. Die dreckigen Schuhsohlen solltet Ihr uns aus Dankbarkeit lecken!“ Das taten sie ja denn nun nicht; aber unser Onkel traf postwendend zu Hause ein.

      An die fünftausend brachten sie per Schub nach Deutschland zurück. Und was für Prachtkerle waren darunter! Seht, das waren zum größten Teil die Leute, von denen auch der einsichtige Engländer - und als Einzelmensch ist er wohl zu leiden - sagte: Wenn ihr an den großen Häfen Australiens steht und seht einen schlichten Mann mit nur einem kleinen Handbündel gegen das Buschland hin vom Schiff herunter strammen Schrittes und ohne