Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/013

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Ähnlich wie im Staatsrechte der Ausdruck Landesherr eines Unterthans so viel besagt wie Fürst eines Staates, dessen Staatsangehöriger der betreffende Mensch ist, so bedeutete in Preußen Gutsherr eines Bauerngutes Besitzer eines Herrschaftsgebietes (Gutes), zu dem das betreffende Bauerngut und sein Inhaber gehörten. Weshalb das Wort Gutsherrschaft in Preußen diese eigentümliche Bedeutung besaß, läßt sich nur durch eine kurze Betrachtung der von der niedersächsisch-grundherrlichen völlig verschiedenen preußisch-gutsherrlicheu Verfassung erklären.

Der preußische Gutsherr war immer Rittergutsbesitzer, oder besser gesagt nur in seiner Eigenschaft als Rittergutsbesitzer war er Gutsherr. Das preußische Rittergut bildete im 18. Jahrhundert immer ein abgeschlossenes Herrschaftsgebiet. Dieses Rittergut umschloß einerseits den eigenen Landwirtschaftsbetrieb des Gutsherrn, das Rittergut im niedersächsischen Sinne, andererseits eine oder mehrere Dorfgemarkungen, innerhalb deren dem Gutsherrn als besonderes Herrschaftsrecht die Gutsherrschaft zustand. Der Inhalt dieser preußischen Gutsherrschaft war folgender: Sämtliche bäuerliche Bewohner der zum Rittergut gehörigen Dörfer erkannten den Rittergutsbesitzer als Grundherrn ihrer unter den verschiedenartigsten Bedingungen besessenen Höfe an. An ihn leisteten sie alle grundherrlichen Abgaben und Frondienste. Alle Bauern und in der Regel die übrigen der ländlichen Bevölkerung angehörigen Bewohner des Gutsbezirks waren dem Rittergutsbesitzer erbunterthänig, d.h. sie durften ohne Erlaubnis desselben den Gutsbezirk nicht verlassen und ihre Kinder mußten ihm einige Jahre lang Gesindedienste leisten. Ferner bedurfte der Erbunterthan zu seiner Verheiratung des gutsherrlichen Konsenses und mußte auf Verlangen des Gutsherrn eine bäuerliche Stelle annehmen. Endlich hatte der Gutsherr niedere Gerichtsbarkeit im Gutsbezirk und besaß sonstige weniger wichtige private und öffentliche Gerechtsame und Befugnisse. Die beiden für den Begriff der Gutsherrschaft wichtigsten Momente waren Obereigentum über sämtliche Bauernhöfe des Gutsbezirks und Erbherrschaft über alle seine Bewohner. Die Leistungen der erbunterthänigen Bauern für die Nutzung des Bauerngutes bestanden fast ausschließlich in Frondiensten, die alle für den landwirtschaftlichen Betrieb des Rittergutes in natura verbraucht wurden. In den östlichen Provinzen Preußens waren diese Dienste ungemessen, im Westen zwar gemessen, aber doch noch sehr bedeutend, sie betrugen mindestens drei bis vier Tage in der Woche. Die Besitzrechte des Bauern am Gut