Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 133

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
<<<Vorherige Seite
[Anlagen 132]
Nächste Seite>>>
[Anlagen 134]
Grundherrschaft-nw-dland.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



Diese Differenzierung innerhalb des Standes der vollfreien Leute hatte folgenden Einfluß auf die ländliche Verfassung.

Das Eingehen von Lehnsverbindungen, ganz besonders aber der Eintritt der kleinen, vollfreien Grundherren in die Ministerialität von Kirchen und Fürsten dehnte die Villikationsverfassung über die Bestandteile der kleinen Edelingsgrundherrschaften aus.

Anfangs, besonders im 11. Jahrhundert, gab der in die Ministerialität tretende Edeling seinen ganzen freien Besitz, d.h. seine kleine Grundherrschaft, an seinen neuen Herrn, der sie seiner großen Grundherrschaft angliederte und den Ministerialen mit sein früheres Einkommen übertreffenden Rentenbezügen entschädigte.[1]

In späterer Zeit behielt der Ministerial in der Regel sein freies Gut oder empfing es als Lehn wieder zurück.[2] Außerdem aber erhielt er weitere Lathufen als Dienstlehn,[2] die er dann mit seinem früheren Besitz vereinigte und das Ganze, so gut es ging, in der Form der Villikation organisierte. Denn seine vergrößerte Grundherrschaft bedurfte, zumal er selbst von seinem kriegerischen Beruf völlig in Anspruch genommen war, einer Organisation und eines sie verwaltenden Beamten, welche beiden Zwecke er mit der Einführung der Villikationsverfassung erreichte.

Außerdem erwarben die Kirchen noch während des 11. und 12. Jahrhunderts, wenn auch in etwas vermindertem Maße, fortwährend Grundbesitz durch Schenkung, Kauf {und} Prekareiverträge.[3]

Das Resultat dieser Entwickelung war, daß gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts die Villikationsverfassung sich über die große Masse der hörigen Bauerngüter ausgedehnt hatte, daß um diese Zeit nur ein ganz verschwindender Bruchteil der hörigen Bauerngüter nicht zu einer Villikation gehörte. Damit war die Villikation zum weitaus wichtigsten Bestandteil der ländlichen Verfassung Nordwestdeutschlands geworden.

Die Vollfreien aber, die zum Ritterstand nicht aufgestiegen waren sondern ihre grundherrliche Lebensweise aufgegeben hatten, bildeten den vielgenannten


  1. Vgl. Möser, Osnabr. Geschichte II, § 22 ff. — Osnabr. Urkundenbuch ed. Philippi I, Nr.157 (a. 1068-70), Nr.158 (e.a.), Nr.169 (e.a.), Nr.163 (a. 1070-88), Nr.170 (a. 1074), Nr.190 (1080-88), Nr.203 (a. 1088-1093), Nr.205 (a. 1090). — Westfäl. Urkundenbuch I, Nr.173 (a. 1102), Nr.176 (a. 1106); II Nr.30 (a. 1118), Nr.36 (a. 1129-36).
  2. 2,0 2,1 Vgl. v. Zallinger, Schöffenbarfreie, S.265-268. — Würdtwein, Subsid. diplomat. VI, Nr.185 (a. 1258). - Osnabr. Urkundenbuch I, Nr.138 (a. 1037 bis 1052), Nr.139 (e.a.), Nr.171 (a. 1074-88), Nr.188 (a. 1080), Nr.216 (a. 1097). — Westfäl. Urkundenbuch I, Nr.190 (a. 1122) und Nr.192 (a. 1123). — Trad. Werdin. ed. Crecelius IIIb Nr.116 (a. 1093).
  3. Vgl. Tradit. Werdin. ed. Crecelius, Heft IIIb passim. — Osnabrücker Urkundenbuch I Nr.138 ff. Andere Stifter, wie z.B. Herford, erwarben im 11. und 12. Jahrhundert nur wenig zu ihrem aus früherer Zeit stammenden Besitz hinzu. Vgl. Cod. trad. Westfal., Bd.IV S.6.