Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/189

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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ist, berief ihn 1736 als ihren Hofprediger nach Bierum in Ostfriesland, bewirkte auch, daß er 1739 das Pastorat zu Tönning erhielt. Hier machte er sich besonders einen Ruf durch sein heftiges Eifern gegen das Tanzen, und gab wider dasselbe 1742 eine Schrift heraus, worin er zu zeigen suchte, daß dieses Vergnügen niemals unschuldig, vielmehr in Wahrheit eine wirkliche Sünde sei. In demselben Jahre gelang es ihm übrigens, zu Tönning ein Waisenhaus zu Stande zu bringen, welches jedoch schon 1753 wieder einging, nachdem Ulitsch 1751 als Propst und Pastor nach Segeberg berufen worden war. Auch hier, wie in Tönning, erregte sein Eifer und seine Strenge, womit er das Tanzen und verschiedene andere Vergnügungen rügte, ihm viele Widersacher. Er ist gestorben am 21. April 1762. Als eine Merkwürdigkeit wird von Gleichzeitigen angeführt, daß seine einzige Tochter eine ganz außerordentliche Begierde und einen fast unwiderstehlichen Trieb für den Tanz und leidenschaftliche Neigung zur Musik gehabt habe, so daß sie ganze Nächte hindurch nach dem Tode ihres Vaters, wenn es auch nur in Gesellschaft einer einzigen Person geschehen konnte, sich damit unterhielt.

Es ist schon von Anderen die Bemerkung gemacht worden, daß die den Söhnen von den Vätern aufgedrungene Weltflucht jene oftmals zu Weltleuten gemacht hat. Die vorstehenden, vereinzelten Nachrichten, die sich leicht vermehren ließen,[1] zeigen deutlich, wie zuletzt der Pietismus in krankhafter Steigerung ausartete, und führen uns eine Anzahl Persönlichkeiten vor, durch welche wir an die


  1. Hinsichtlich der beiden fahrenden Fanatiker und leidenschaftlichen Opponenten gegen die Kirchenlehre, des Candidaten Matthias Knutzen aus Husum („Hans Friedrich von der Vernunft“) und des Gelehrten Johann Konrad Dippel (geb. zu Frankstein an der Bergstraße den 10. Aug. 1673, gest. 1734 den 25. April zu Berleburg), der sich Christianus Democritus nannte, verweisen wir auf die allgemeinen Werke über die Geschichte des Protestantismus. Beiläufig sei bemerkt, daß Dippel am 2. Mai 1719 in Hamburg arretirt und darauf dem Oberpräsidenten Grafen v. Reventlow in Altona ausgeliefert ward. Näheres findet man bei Kahnis, Der innere Gang des deutschen Protestantismus II, S. 56 ff.; Hermann Rossel, Matthias Knutzen, in den Stud. u. Krit. 1844, S. 969 ff. K. R. W. Klose, Ueber J. K. Dippel, in Niedner's Zeitschr. v. 1855 S. 467 ff.; K. Buchner, in Raumer's historischem Taschenbuch v. 1858, S. 207 ff.; und besonders auch in der „Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs“ von E. Koch, Bd. VI, Aufl. 3. (Stuttgart 1869.) Dippel wurde wegen einer heftigen politischen Schmähschrift zu lebenslänglicher Gefangenschaft auf der Insel Bornholm vcrurtheilt, jedoch nach sieben Jahren begnadigt und freigelassen.