Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 123

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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naturam unter ihre rechtmäßigen Herren (legitimi domini) zurück.[1]

Aus diesen Berichten ergiebt sich zunächst mit Sicherheit, daß unter den Herren der Frilinge und Laten die nobiles gemeint sind. Dies ist auch die allgemeine Annahme.[2] Wahrscheinlich stand der größere Teil der nobiles auf der Seite Ludwigs, und die einmal entfesselte Volkswut richtete sich dann gegen den ganzen Stand, also auch gegen die Anhänger Lothars unter den nobiles. Wir sehen also Frilinge und Laten sämtlich unter der Herrschaft des Standes der nobiles. Daß dies Abhängigkeitsverhältnis ein privatrechtliches und kein öffentliches war, erscheint zweifellos. Die Laten waren Hörige der nobiles. Die Frilinge standen unter der Schutzherrschaft (tutela) der Edelinge oder saßen als grundherrlich abhängige Kolonen auf deren Gütern. Weiter bestätigt der Bericht über den Aufstand die herrschende Ansicht, daß die karolingische Herrschaft die nobiles begünstigt, die unteren Klassen aber benachteiligt habe. Ludwig verkörperte die karolingische, die fränkische Ordnung. Ihm hingen die nobiles an, Lothar versprach den unzufriedenen Frilingen und Laten Wiederherstellung der alten sächsischen Rechte und Gewohnheiten.

Da Karl der Große nach unserer Annahme das sächsische Privatrecht nicht verändert hatte, so können es nur Normen des öffentlichen Rechts gewesen sein, mit deren Umgestaltung oder Neueinführung Frilinge und Laien sich nicht befreunden konnten.

Es ist möglich, daß eine Teilnahme der beiden Stände an der Regierung, die in vorfränkischer Zeit bestanden hatte, von Karl dem Großen aufgehoben worden ist.[3] Es ist sicher, daß der neueingeführte Zehnte an die Kirche und der Heeresdienst außerhalb der Heimat das ganze Volk, insbesondere aber die beiden unteren Stände, schwer belastete und nur widerwillig ertragen wurde.[4] Zwar lag Zehnt und Kriegsdienst allen Teilen der Bevölkerung ob. Aber der Kriegsdienst schädigte wirtschaftlich die von Renten lebenden nobiles viel weniger als die auf ihrer Hände Arbeit angewiesenen, bäuerlichen liberi und Laten. Auch der Zehnte traf schon aus wirtschaftstechnischen Gründen die Bauern am schwersten. Außerdem aber scheint der Zehnte von den Grundherren (nobiles) nur für ihre mansi indominicati gegeben worden zu sein, während die Abgabe von dem Einkommen, die Karl der Große ausdrücklich angeordnet und selbst auf das Renteneinkommen des Fiskus gelegt hatte, sehr bald außer Übung kam.[5] In späterer Zeit findet sich keine Spur mehr davon.


  1. Annales Fuldenses ed. Kurze, Hannover 1891, S.33 ad a. 842: Quibus gestis Hludowicus inde reversus mense Augusto in villa, quae dicitur Salz, habito generali conventu in Saxoniam pergens validissimam conspirationem libertorum legitimos dominos opprimere conantium auctoribus factionis capitali sententia damnatis fortiter compescuit.Annales Xantenses ad a. 842: . . . Ludewicus . . . servos Saxonum superbe elatos nobiliter afflixit et ad pristinam naturam restituit.
  2. Vgl. v. Richthofen und Heck a.a.aO.
  3. Vgl. Gaupp, Recht und Verfassung der Sachsen, S.42 und 43.
  4. Vgl. Waitz, Verfassungsgeschichte. Bd.III S.127-129, besonders S.127 Anm.5. Brief Alcuins: Decimae, ut dicitur, Saxonum subverterunt fidem.
  5. Vgl. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd.III S.127, Anm.1. In dem Zehntstreit in der Osnabrücker Diöcese geschieht der von den grundherrlichen Einkünften fallenden Zehnten keine Erwähnung mehr. Vgl. Philippi, Osnabr. Urkundenbuch, Bd.I, Nr.75 (a. 895 Fälschung?), Nr.78 (a. 913).