Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 110

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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regit. Frumenti modum dominus aut pectoris aut vestis ut colono injungit, et servus hactenus paret; cetera domus officia uxor et libri exequuntur.

Also die Sklaven werden nicht nach römischer Sitte mit bestimmten Aufgaben im Hauswesen des Herrn betraut. Sie leben überhaupt nicht im Hause des Herrn, sondern jeder hat seinen Wohnsitz und eigenen Hausstand. Wie die römischen Kolonen haben sie bestimmte Abgaben an Feldfrüchten, Vieh und Kleidungsstücken an den Herrn abzuliefern, und zu weiteren Leistungen sind sie nicht verpflichtet.

Den Haushalt des freien Deutschen aber führten seine Frau und seine Kinder. Von eigener Landwirtschaft ist hier gar keine Rede.

Die Wissenschaft, die sich bisher immer nur mit der Technik der altgermanischen Landwirtschaft, niemals aber mit ihren sozialen Voraussetzungen wirklich eingehend beschäftigt hat, glaubte die bäuerliche Lebensweise des freien Deutschen immer mit dem Hinweis auf die im Kapitel 15 erwähnte Besorgung des Hauswesens und der Landwirtschaft durch Frauen, Kinder und Greise dargethan zu haben.[1]


  1. Vgl. v. Sybel, Entstehung des deutschen Königtums, S.26 und 27. — Vgl. Waitz, Verfassungsgeschichte I, S.184. — Brunner, Rechtsgeschichte I, S.97 Anm.8, bemerkt zwar, daß einige Stellen (Kap.20 u. 25) ein unfreies Hausgesinde voraussetzen, aber zwingend ist diese Schlußfolgerung nicht. Kap.20: Dominum ac servum nullis educationis deliciis dignoscas; inter eadem pecora, in eadem humo degunt, donec aetas separet ingenuos, virtus agnoscat. Dies besagt nur, daß Freien- und Sklavenkinder als Gespielen aufwachsen und sich daher gemeinsam und ungetrennt in einer Viehherde {beim Vieh} und auf einem Spielplatz umhertummeln. Ob dies das Vieh und der Boden des Herrn oder des angesiedelten Sklaven oder die gemeine Dorfherde und der Dorfplatz ist, kann nicht aus dieser, sondern muß aus anderen Stellen, insbesondere aus Kap.25 entschieden werden. Der Zweck der ganzen Stelle ist nur der, das gemeinsame Aufwachsen von Freien- und Sklavenkindern anschaulich zu machen. Das letztere kann aber gerade so gut stattfinden, wenn der Sklave ein eigenes Haus hat und nicht als Hausgesinde dient. Notwendig ist nur, daß Herr und Sklave Nachbarn sind.
    Die andere Stelle in Kap.25 lautet: Liberti non multum supra servos sunt: raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate . . . . . — Hieraus folgert B., daß wohl nicht erst der Freigelassene in das Haus des Herrn aufgenommen worden sei. Ich bin fest überzeugt, daß domus hier nicht Hauswesen, sondern im Gegensatz zu civitas (Öffentlichkeit) in übertragenem Sinn Privatrecht und Wirtschaft bedeutet. Die Übersetzung lautet dann folgendermaßen: privatrechtlich und wirtschaftlich hat der Freigelassene nur eine unbedeutende Stellung, in der Öffentlichkeit ist er völlig rechtlos. Der Freigelassene ist eben wie der Sklave nichts weiter als ein allerdings unter milderen Bedingungen höriger Ackerbauer. Die von Brunner aus der Stelle gezogene Folgerung, daß Sklaven und Freigelassene Hausgesinde gewesen seien, würde einen unlösbaren Widerspruch mit der klaren Darstellung zu Anfang des Kapitels hervorrufen.
    Es wäre nun thöricht, auf Grund dieser Überlegungen ein unfreies Hausgesinde völlig ableugnen zu wollen. Daß aber der Schriftsteller diese Verwendung der Sklaven niemals ausdrücklich hervorhebt, dagegen von der Ansiedlung als Kolonen mit aller nur wünschenswerten Klarheit spricht, beweist, daß die letztere Verwendung die vorherrschende und wirtschaftlich bedeutsame gewesen ist.
    Nur die hauptsächliche Verwendung der Arbeitskräfte läßt einen Schluß auf die Wirtschaft zu. Nicht was „auch‟, sondern was am meisten und regelmäßig geschieht, ist für die Beurteilung wirtschaftlicher Verhältnisse maßgebend.