Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 109

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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geschilderte Lebensweise und Wirtschaft des deutschen Volkes sich gerade bei den Sachsen bis zur fränkischen Eroberung in der Hauptsache erhalten habe.[1] Auch der Umstand, daß ein Schriftsteller der fränkischen Zeit bei seiner Schilderung der altsächsischen Verfassung und Lebensweise[1] die entsprechenden Stellen der Germania wörtlich wiederholt, spricht für diese Annahme.

Schließen wir uns dieser Ansicht vorläufig an, und suchen wir aus dem Bild, das Tacitus von der wirtschaftlichen Stellung und der Lebensweise des freien Deutschen zur Römerzeit entwirft, einen Anhaltspunkt zur Beurteilung der Lebensweise des freien Sachsen in der vorfränkischen Epoche kurz vor der Eroberung zu gewinnen.

Zunächst ist sicher, daß dieser Schriftsteller Lebensweise und Sitten der Hauptmasse des freien Volkes, nicht aber etwa irgend einer bevorzugten Klasse schildert.

Diese seine Absicht geht aus jeder Seite seines Buches klar hervor, und außerdem war der Adel bei den Germanen nicht so zahlreich und wichtig, daß unser erfahrener Gewährsmann die wirtschaftliche Stellung der bevorzugten Klasse irrtümlicherweise für diejenige des ganzen freien Volkes hätte ansehen können.

Zunächst schildert er in Kapitel 15 und 22 die Lebensweise eines freien Germanen.

Der Deutsche verbringt im Frieden seine Zeit mit Essen, Trinken und Schlafen und ist dann sogar zu träge, um häufig auf die Jagd zu gehen. In Kapitel 22 wird der Tageslauf des freien Mannes beschrieben. Auch hier betont der gewiß nicht an wirtschaftliche Arbeit gewöhnte, vornehme Römer den vorherrschenden Müßiggang. Allerdings gehen sie mitunter bewaffnet ihren Geschäften nach. Aber wer möchte bei diesem negotium, das nicht jeden Tag und stets in vollem Waffenschmuck besorgt wird, an das opus servile des Ackerbaues denken? Gewiß sind hier entweder öffentliche Geschäfte, wie Besuch der Gerichts- und Stammesversammlung, oder private Beratungen mit Sippegenossen und Nachbarn oder endlich gottesdienstliche Handlungen gemeint.

Der freie Deutsche lebt nun zweifellos von dem Ertrag seines Ackers und seiner Heiden. Aber wer besorgt ihm diese, da er selbst müßig geht? Auf diese Frage antwortet Tacitus nicht überall in derselben Weise.

Im Kapitel 15 sind es Weiber, Kinder und Greise, die Schwächsten in der Familie, die sich dieser Geschäfte annehmen müssen. Aber der freie Deutsche hat doch Sklaven; wozu verwendet er diese?

Darüber erhalten wir im 25. Kapitel eine Auskunft, die uns mit einem Schlag völlig über die Grundlage der Existenz des Freien aufklärt.

Nachdem Tacitus berichtet hat, daß diejenigen Sklaven, die ihre Freiheit im Spiel verloren haben, von ihren ehemaligen Standesgenossen und nunmehrigen Herren sogleich in die Fremde verkauft werden, fährt er folgendermaßen fort: Ceteris servis non in nostrum morem descriptis per familiam ministeriis utuntur; suam quisque sedem suos penatis


  1. 1,0 1,1 Vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd.III, S.115 Anm.1. — v. Richthofen, Zur lex saxonum 1868, S.226 Anm.2.