Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 118

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Einige Handschriften der Lex Saxonum nennen den in Kapitel 17 dem Liten gleichgestellten liber - libertus.

Die tutela des nobilis über den liber homo würde sich als Mundium des Freilassers über den Freigelassenen leicht erklären.

Weniger auf die Standeseigenschaft als Freigelassene wie auf die allgemeine Abhängigkeit der liberi von den nobiles deutet die ausdrückliche Bezeichnung der nobiles als Herren der Frilinge.[1] Das strenge Heiratsverbot zwischen den beiden Ständen setzt eine tiefe rechtliche und soziale Kluft zwischen ihnen voraus.[1]

Gegen die Auffassung der sächsischen liberi als ungesippte und grundbesitzlose Leute sprechen allerdings zwei Angaben des Kapitels 64 der Lex Saxonum. Hiernach war der liber homo im Besitz von erbeigenem Grund und Boden (hereditasn); er hatte ferner einen primus proximus, der ein Vorkaufsrecht an der hereditas besaß, und aus dessen Erwähnung auf entferntere proximi, d. h. Magen, und damit auf eine Sippschaft geschlossen werden kann.[2]

Allein abgesehen davon, daß verschieden nahe proximi auch innerhalb der engeren Hausgenossenfamilie, die auch der ungesippte Mann hatte, bestehen konnten, ist es auch unbeschadet unserer Auffassung möglich, für den sächsischen liber eine Sippschaft anzunehmen. Nur war diese Freiensippe eben nicht als altes Volksgeschlecht anerkannt. Sie stand außerhalb des das Volk bildenden Verbandes von Familien.

Die zweite Schwierigkeit endlich, die Thatsache, daß der sächsische liber als Inhaber einer hereditas erscheint, deutet auf einen wirklichen Unterschied zwischen den friesischen und sächsischen Verhältnissen. Ungleich dem von dem Grundbesitz des Volkes ausgeschlossenen Frilingsstand in Friesland scheint der Stand der liberi in Sachsen an diesem Grundbesitz von Anfang an, freilich nur in beschränktem Maß, teilgenommen zu haben. Widukind berichtet ausdrücklich, daß die Sachsen nach der Eroberung Nordthüringens das Land mit manumissis et auxiliariis geteilt hätten.[3] Danach ginge also das Grundeigentum der liberi in dieser Gegend auf denselben Ursprung wie das der nobili, nämlich auf Eroberung zurück. Man kann sich das Grundeigentum der liberi in den übrigen Gebieten Sachsens in ähnlicher Weise entstanden denken. Auf jeden Fall blieb der liber mit seinem Grundeigentum dauernd in dem Mundium seines Freilassers, des nobilis.

Die Hecksche Auffassung des Standes der liberi trifft also in der Hauptsache auch für Sachsen zu. Sein Ursprung beruht hier ebenso wie in Friesland auf dem Umstand, daß ungesippte, d. h. außerhalb des Verbandes der alten Volksgeschlechter stehende Freie hauptsächlich durch Entlassung aus der Unfreiheit entstanden sind. Die Nachkommenschaft dieser ungesippten Leute bildete zwar eine Sippe im privatrechtlichen


  1. 1,0 1,1 Siehe S.117* Anm.4.
  2. Vgl. Lex Saxonum Kap.64. — v. Richthofen, M. G. L.L. Tom.V S.71 Anm.12 und S.82 Anm.72. — Schröder, Rechtsgeschichte, 2. Auflage, S.68. — Brunner, Rechtsgeschichte I, S.83. — Heck, Gerichtsverfassung, S.229-234.
  3. Vgl. Widukind, Res gesta Saxonum I 14 (N, 6. 8,8, III, S. 424).