Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 117

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Sie allein waren die wirklich Vollfreien, der Kern und die herrschende Klasse des Volkes; die Frilinge waren Minderfreie.

Aus der Haupteigenschaft des Edelings, der Geschlechtszugehörigkeii, folgte die weitere ihm charakteristische, nämlich der regelmäßig bei ihm vorhandene Grundbesitz (Erbeigen).[1] Ursprünglich waren die Volksgeschlechter im Besitz von allem Grund und Boden; Veräußerung des Grundeigentums an außerhalb des Sippenverbandes stehende Personen war durch Retraktsrechte der nächsten Erben so gut wie unmöglich gemacht. Außerdem aber hatten sämtliche Geschlechtsgenossen gleiche Erbansprüche an die väterliche hereditas. Aus diesen beiden Thatsachen ergab sich, daß die Edelinge wenigstens in der Regel Grundeigentümer waren, die außerhalb der Sippenverbände stehenden freien Leute, die Frilinge, aber von dem Grundeigentum ausgeschlossen blieben. Edeling und freier Grundeigentümer waren gleichbedeutend; ebenso wie Friling und freier Nichtgrundbesitzer. Freier Grundbesitz wurde zum Merkmal des Edelings, Mangel des Grundeigentums zum Merkmal des Frilings.[1]

Diese Auffassung der altfriesischen Stände hat nun schon Heck auf die sächsische Ständegliederung übertragen.[2] Er sieht in dem nobilis den vollfreien Volksgenossen, den Gemeinfreien des rechtsgeschichtlichen Sprachgebrauches; in dem liber den Minderfreien, den ungesippten Mann, der seine Freiheit der Regel nach der Freilassung verdankte. Die von Heck vertretene Auffassung, daß die nobiles nicht ein über die Masse der Gemeinfreien hervorragender Adel, sondern eben die Gemeinfreien selbst, d.h. die allein vollfreien Volksgenossen, der Kern des Volkes gewesen seien, ist auch für Sachsen unbedenklich zuzugeben. Die Stellung der nobiles in der lex Saxonum ist, solange man diese für ein wirkliches Volksrecht ansieht, gar nicht anders zu erklären und daher ein vollgültiger Beweis für die Hecksche Annahme.[3]

Schon hieraus ergiebt sich die Richtigkeit der Auffassung der liberi als Minderfreie. Wird die Vollfreiheit mit Recht nur dem Stand der nobiles zugebilligt, so muß die Zugehörigkeit zum Stand der liberi eine Freiheitsminderung bedingt haben. Folgende, schon von Heck hervorgehobene Thatsachen sprechen für die Annahme, daß der Standesunterschied zwischen nobiles und liberi in Sachsen in ähnlichen Ursachen wie in Friesland gegründet war.[4]

Wie in den friesischen, so fehlt auch in den sächsischen Rechtsquellen der Stand der liberti. Hier wie dort kann der Stand der Liten die Freigelassenen nicht mit umfaßt haben. Denn die Liten waren persönlich unfrei; eine Freilassung zu Litenrecht gab es im sächsischen Recht nicht.


  1. 1,0 1,1 Vgl. Heck a.a.O. S.227, 242, 248.
  2. Vgl. Heck a.a.O. S.250-252.
  3. Schon v. Richthofen (Zur lex Saxonum, S.123) hat bemerkt, daß die nobiles einen fredus von 12 sol. haben, welcher dem der freien Franken von 15 sol. entspricht. Vgl. auch v. Richthofen, Zur lex Saxonum, S.124.
  4. Vgl. Heck, Gerichtsverfassung, S.301. Die in Kap.25 u. 26 der Lex Saxonum erwähnten domini sind als Schutzherren (nobiles) von ingenui anzusehen. — Vgl. v. Richthofen, Zur lex Saxonum, S.274-281.