Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 120

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Der sicher größere Teil der liberi bestand wie in Friesland aus freien Hintersassen. In allen Immunitätsprivilegien der Bistümer und Klöster erscheinen neben den Laten die liberi super terram ecclesiae manentes.[1] Auch in den Heberegistern und Urkunden werden sie erwähnt. Allerdings treten sie an Zahl hinter den Laten zurück.[2] Über ihr Besitzrecht ist nichts überliefert.

Über diesen mehr oder minder abhängigen Volksklassen erhob sich nun der Stand der nobiles, der vollfreien Volksgenossen. Unsere Annahme, daß diese vollfreien Volksgenossen, die nobiles, Grundherren gewesen seien, wird noch durch eine Reihe weiterer Gründe bestärkt.

Nicht, wie ursprünglich angenommen, zwei, sondern drei Stände standen als minderfreie unter ihnen. Der Stand der liberi war aus den Unfreien hervorgegangen. Nur ein Teil dieser liberi hatte Grundeigentum erlangt, und selbst dieses war kein vollfreier Besitz und vielleicht sogar schon mit Abgaben belastet. Mindestens ein Teil der liberi hatte infolge der Freilassung nur seine persönliche Rechtsstellung, nicht aber seine wirtschaftliche und soziale Lage geändert. Die liberi coloni waren zwar persönlich frei, aber ebenso grundherrlich abhängig wie die Laten.

Als ihre Grundherren können wir nur die nobiles ansehen. Diese werden von den gleichzeitigen Schriftstellern und Gesetzen als Herren der Laten und Frilinge bezeichnet.[3]

Insbesondere war der Lite nach der lex Saxonum ein ebenso regelmäßiger Besitz des nobilis wie seine Waffen oder sein Kleid. Denn nur so läßt sich die dem Eid auf die Waffen gleichgestellte Eidesleistung in die Hand des Liten erklären.

Wenn es richtig ist, daß das Wergeld des freien Mannes mit dem Wert des in der Regel von ihm besessenen Grundbesitzes übereinstimmte, so deutet das hohe Wergeld des sächsischen nobilis auf einen bedeutenden Grundbesitz der Angehörigen dieses Standes. Nimmt man den Wert einer Hufe in der Karolingerzeit zu 200 fränkischen Silbersolidi (zu je 3 tremissi) oder 300 sächsischen Silbersolidi (zu je 2 tremissi) an, so ergiebt sich ein durchschnittlicher Grundbesitz des nobilis von 4 bis 5 Hufen.[4] Nach der allgemeinen Sitte dieser Zeit wurde ein solcher


  1. Vgl. Wilmans, Kaiserurkunden, Bd.I, Nr.8 (a. 823); Nr.10 (a. 826 bis 833). — Osnabr. Urkundenbuch ed. Philippi, I, Nr.3 (a. 803 falsch); Nr.7 (a. 819); Nr.37 (a. 855); Nr.38 (a. 855); Nr.110 (976) u.a. — Lacomblet, Niederrheinisches Urkundenbuch I, Nr.76 (a. 888); Nr.124 (a. 993).
  2. Vgl. das Heberegister von Werden bei Lacomblet, Archiv für Geschichte des Niederrheins, Bd.II S.209 ff., besonders unter A XVIII. — Älteste korveyer Heberolle bei Wigand, Archiv für Geschichte Westfalens, Bd.I, Heft 2 S.15 § 9.
  3. Vgl. S.117* Anm.4.
  4. Die Annahme, daß erst Karl der Große das Wergeld der nobiles auf 1440 sol erhöht habe, erscheint mir nicht begründet. — Über den Zusammenhang zwischen Grundbesitz und Wergeld vgl. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd.II S.215. — Brunner, Rechtsgeschichte, Bd.I S.198 und 199. Hier auch über den Wert der Hufe.