Erziehung im XX. Jahrhundert/013

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Erziehung im XX. Jahrhundert
<<<Vorherige Seite
[012]
Nächste Seite>>>
[014]
Erziehung xx jh.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.



Die Erziehung vor der Schulzeit,

„Niemand glaube, die ersten Eindrücke der
Jugend verwinden zu können." Goethe.

Das erste und wichtigste Mittel der Erziehung ist die leibliche Pflege des Kindes. Sie beginnt mit dem Augenblicke der Geburt und ist den Anforderungen einer besonderen Wissenschaft gemäss zu gestalten, die wir kurzweg Gesundheitslehre (Hygiene) nennen. Vorschriften für die Gesundheitspflege zu geben ist nicht Sache des Erziehers, sondern des Arztes*), die Ausführung aber liegt während der ersten Lebensjahre des Kindes in den Händen der Erzieherin, in der Regel also in der Hand der Mutter. Nächst den Massregeln zur Förderung des körperlichen Gedeihens der Kinder wird schon im ersten Lebensjahre die Sorge für eine gute Entwicklung der Sinnesorgane und der Sprachfähigkeit beachtet werden müssen. Es ist festgestellt worden, dass das Kind in der ersten Zeit nach der Geburt überhaupt nicht hört und erst ganz allmählich die einzelnen Geräusche und noch viel später Töne von verschiedener Höhe unterscheiden lernt. »Jede Mutter verliert tausend Worte, die sie ihrem Kinde zuspricht, zuflüstert, zusingt, ohne dass dieses nur ein einziges davon hört, und viele tausend Worte sagt sie ihm, ehe es eines versteht, aber wenn sie es nicht täte, würde das Kind sehr viel später sprechen lernen, abgesehen davon, dass ihr selbst das reinste Glück, die Mutterfreude, getrübt, ja, fast zerstört werden würde.«  (Preyer, Seele des Kindes.) Aehnlich wie mit dem Hören ist es mit dem Sehen des kleinen Kindes. Es vergehen mindestens einige Wochen, ehe ein Säugling beginnt, einen Gegenstand mit Aufmerksamkeit zu betrachten; erst von dieser Zeit an kann also von einem eigentlichen Sehen die Rede sein. Viel später aber erst entwickelt sich beim Kinde die Fähigkeit, körperlich zu sehen, d. h. Körper und Fläche zu unterscheiden. Ich beobachtete einmal bei einem meiner Kinder, wie es eifrig mit der Untersuchung des Flächenmusters einer Tischdecke beschäftigt war, das ihm offenbar einen körperlichen Eindruck machte; erst nach wiederholtem Betasten und Darüberstreichen schien es über die Sache im klaren zu sein und gab sich mit dem Resultate seiner Untersuchung zufrieden. Bekanntlich können Blindgeborene, die durch eine Operation das Augenlicht erlangen, zunächst auch noch nicht körperlich sehen un.d müssen diese Fähigkeit erst allmählich erwerben. Aehnlich ist es mit der Beurteilung von Grösse und Entfernung der Gegenstände, die die

  • ) Siehe Anhang.