Herforder Chronik (1910)/123

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Herforder Chronik (1910)
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auf der Weide, wohin die Mädchen zum Melken gesandt wurden. Der nächste Weideplatz bei Herford war die Werreniederung vor dem Bergertor auf beiden Seiten des Flusses. Zwei Kiewisch- (Kühwiese-) Brücken führten über das Wasser; an der Stelle der einen steht die heutige für die Milchmädchen bestimmte Milcherbrücke. Ein anderer ausgedehnter Hudebezirk war die Herforder Heide. Bezüglich der Trift- und Hudeangelegenheiten lassen uns die Akten im Stich; es wird indessen hier gewesen sein wie in anderen westfälischen Städten: Hudegenossenschaften verteilten die Weide unter sich, wählten jährlich einen Hirten und hatten im übrigen ewige Zänkereien um die Hudegerechtigkeit und Grenzüberschreitungen der Hirten.

Schweine. Wie in allen Klosterrechnungen des Mittelalters spielt auch in der Herforder Abtei die Lieferung der Borstentrager eine große Rolle. Empfing doch das Stift in jedem Jahre 528 Schweine, die höchste Zahl aller Tierabgaben. Das läßt auf eine Schweinezucht auf dem Lande schließen, von deren Ausdehnung wir uns keine Vorstellung machen können. Sie ist aber erklärlich, denn diese Tiere liefern nicht nur mit allem, was sie in und an sich tragen, Haut, Borsten und Fleisch, geschätztesten Ertrag, sondern beanspruchen auch nur geringe Pflege und Zucht. Darin stand der Herforder Bürger dem Landmann nicht nach, und wie für die Kühe, so hatte er auch für die Schweine besondere Weideplätze. Der uns zunächst gelegene war der Sugeort, d. i. Schweinewinkel, ein ausgetrocknetes Bachbett mit hohen Ufern, das sich von der Eimter-Straße zur Werremasch hinunterzieht. Nachdem der Ort seine angegebene Bedeutung verloren hatte, suchte man ihn durch einen neuen Namen zu parfümieren und bezeichnete ihn im Hinblick auf seine bescheidenen landschaftlichen Reize ironisierend als „Herforder Schweiz“. Seit 1909 ist sie verschwunden, die neue Werrestraße führt darüber hin.

Die Alten zogen der Wiesenweide für die Schweine mehr die Mast im Eichen- und Buchenhag vor, wo die langsame und gleichmäßige Mästung mit den Früchten dieser Bäume, verbunden mit Bewegung und dem Genuß der frischen Luft im Walde, dem Vieh eine üppigere, mit Fett durchwachsene Fleisch-und Muskelbildung verschaffte. Der Herforder Ort für diese Art der Mästung war die bekannte Sugepanne[1] im Stuckenberg (nicht „Suchepanne“, wie gewöhnlich gesprochen wird). Hier wurden die Tiere im November eingetrieben, um bis Weihnachten dort zu bleiben. Auch für die Schweinemast gab es Hudegenossenschaften und selbstredend Weidestreitigkeiten in Fülle.

Gleich vielen mittelalterlichen Städten besaß Herford bis vor kurzem noch seine Sugestraße, von deren Beziehung zu dem Borstenvieh nichts zu ermitteln war. Bei ästhetisch veranlagten Anwohnern dieses Gäßchens hat erst heut der Name Anstoß erregt und ist in Gertrudstraße umgewandelt, während Bremen für eine seiner glänzendsten Geschäftsstraßen den alten Namen Sögestraße beibehält.

  1. Panne, panna ist Plural vom althochdeutschen pan, ban, d. i. Bann, Bezirk, wie man auch Gerichtsbann für Gerichtsbezirk hat. Sugepanne sind also die Bezirke für die Schweinemast.