Herforder Chronik (1910)/129

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Herforder Chronik (1910)
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Vorliebe für die Bereitung des Leinens legte. Und sollte nicht der in unserer Hebeliste gebrauchte Ausdruck „underrigte“, d. h. die Abgaben für die Bedürfnisse der Mädchen im Kloster, sich weniger auf die wissenschaftliche, als vielmehr auf die Ausbildung in Frauenhandarbeiten beziehen?

Das gesponnene Garn kam nun, nachdem es mittelst der Haspel[1] von den Spulen zu Strängen oder Strähnen abgehaspelt war auf den Webstuhl, bei dessen Beschreibung und Verrichtungen wir uns nicht aufhalten. Auch ihn hat die mechanische Weberei beiseite geschoben; das Spottlied auf die Armseligkeit der Leineweberzunft findet nur noch wenig Verständnis. Das gewebte Linnen erhielt früher seine schneeweiße Farbe durch das Bleiche n in der Sonne und an der Luft. Das war freilich langwierig und dazu mühselig, da die auf dem Rase»:, der Bleiche, ausgestreckten Linnenstücke recht oft mit Wasser genetzt werden mußten. Uni so größer war dann die Freude der Bleicherin, wenn endlich die Stücke in reinstem, blendendem Weiß erstrahlten. Allein auch das gehört so ziemlich der Vergangenheit an. Was sonst beim Bleichen dem stillen Wirken und Weben der Naturkraft überlassen blieb, übernimmt in der hastig vorwärts drängenden Gegenwart das schneller zum Ziele führende chemische Mittel.

„Weib und Weben standen bei den Sachsen von jeher in sprachlicher und sachlicher Verwandtschaft.“ Gegenüber der geräuschvolleren Tätigkeit des Mannes mit Wehr und Waffen, mit Art, Spaten und Pflug, steht das Tun des Wesens, dem von seiner sinnigsten Arbeit, dem rastlosen und sorgsamen Hin- und Herführen des Fadens am Webstuhl, der Name wib beigelegt ist, die treffende Bezeichnung der im häuslichen Kreise Webenden und Waltenden, die da

„füget zum Guten den Glanz und den Schimmer
Und ruhet nimmer“.

Der Vollständigkeit wegen wollen wir noch einen ganz kurzen Blick auf das Hinauswachsen der Leinenindustrie aus dem Frieden des Hauses und auf den sich anschließenden Leinenhandel werfen. Wer sich darüber genauer unterrichten will, den verweisen wir auf Fachschriften, deren es ja gegenwärtig eine nicht geringe Zahl gibt.

In Herford verblieb, wie im ganzen Ravensberg, der Spinn- und Webereibetrieb noch lange Jahre dem Hause, und erst in neuerer Zeit haben die mechanischen Spinnereien und Webereien der Hausarbeit fast ganz ein Ende gemacht.

Es war noch vor der Zeit des kurfürstlichen Regiments, als man, um den guten Ruf des ravensbergischen Leinens zu wahren, gegenüber den eingerissenen

  1. Zur Kontrolle für die Verfertiger solcher Maße war am hiesigen Rathause ein eisernes Normal-Garnhaspelmaß befestigt; außerdem befand sich dort noch eine ebensolche Normal-Elle. (Beides jetzt im Museum,)