Herforder Chronik (1910)/139

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Herforder Chronik (1910)
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Obwohl der Hof Oldenherevorde, wie wir ihn altem Gebrauch gemäß nennen wollen, bis ins 16. Jahrhundert hinein in den von Darpe[1] veröffentlichten Belehnungsverzeichnissen der Äbtissinnen als noch vorhanden erscheint und die zu ihm gehörenden oder auf ihn „schießenden“[2] Ländereien, ja sogar ein allerdings nicht mehr zu ermittelnder Oldenhervorder Weg erwähnt werden, läßt sich daraus doch nicht mit Sicherheit angeben, wo dieser Hof gelegen. Vermutlich lag er zuerst an der Stelle der heutigen Altstadt und ist später weiter hinausgerückt, um den Ansiedlern Platz zu machen und ihnen einen engeren Anschluß an die Abtei zu ermöglichen. Zu dieser Annahme berechtigt uns die Lage der Ländereien des Hofes, welche sich, das geht aus den erwähnten Lehnsregistern hervor, hinauf auf das höherliegende, von der heutigen Ahmser, Lockhauser, Elverdisser Straße und dem uralten Hellerwege durchzogene Gelände, welches von dem Flachsbach bewässert wird, erstreckten. Im Osten lehnte sich das Hofgebiet an die Werre, im Westen an die Aa, und daran schlossen sich, wie wir vorher in der Hebeliste aus dem 12. Jahrhundert gesehen haben, die Oldenhervorder Unterhöfe Ahmsen, Uflen, Hörentrup u. a. mit ihren Ländereien.

Das Stift war stetig gewachsen an Umfang und Menschenzahl, seine Lebensbedürfnisse hatten sich entsprechend vermehrt und mußten befriedigt werden. Da war es denn den Stiftsfrauen gewiß erwünscht, daß mancher entfernt von Herford ansässige freie Bauer zu der Einsicht kam, daß das Leben unter dem abteilichen Krummstabe erträglicher und gewinnbringender sei als dasjenige auf seiner abgelegenen Scholle und darum zu dem Entschluß kam, dem Stifte näher zu rücken, d. h. Ministeriale, Dienstmann des Stifts zu werden. Als solche waren die Ansiedler in der Weise vom Stift abhängig, daß sie den Dienst um die Person der Äbtissin versahen oder die Führung des abteilichen Haushalts übernahmen, woraus ihnen Vorteile und Vorrechte erwuchsen. Sie sind nicht mit den eigentlichen Knechten, den völlig Unfreien oder Hörigen, zu verwechseln, die mit den Edlen gezogen kamen, aber mit Hab und Gut rechtlos in der Gewalt ihrer Herren standen. Die Ministerialen bildeten den Stand, aus welchem unsere edlen Geschlechter, die von dem Bussche, die von Quernheim, von Oldenhervorde u. a. m. hervorgingen. Zur Wahrung des Standesunterschiedes gab es in Herford das Vogtgericht, wo über Frei und Eigen gerichtet wurde, d. h. darüber, ob jemand ein Freier oder ein Leibeigener[3] sei.

Infolge dieser Ansiedelungen muß der erstehende Ort schon recht ansehnlich gewesen sein, als ihn im Jahre 851 der Kaiser Ludwig der Deutsche mit seinem Gefolge zur Herberge erkor, und als 911 der um die Braut werbende Sachsenherzog, der nachmalige König Heinrich I., als Gast hier weilte.

Wie bedeutend oder wie unbedeutend aber die hiesigen Ansiedelungen gewesen sein mögen, sie fielen in den Jahren 916 bis 924 dem Raubvolk der

  1. Darpe, a. a. O.
  2. „Schießen“ ein in Urkunden gern gebrauchter Ausdruck für „daraufzulaufen“, „angrenzen“.
  3. Herf. Rechtsbuch, Anm. zu Kap. 3.