Herforder Chronik (1910)/182

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Herforder Chronik (1910)
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zum Jahr 1434 abgedruckte Urkunde die Stiftsdamen zu Herford „regulariter viventes“ und „in eodem collegio habitantes[1].

Zu solchem Zusammenleben der 14 Damen, welche sämtlich dein hohen Adel entstammten, und ihrer Dienerschaft war natürlich ein umfassendes Gebäude notwendig, und man darf unbedingt behaupten, daß ein solches wirklich vorhanden gewesen sei. Wo aber soll man dieses Convictorium, von dem keine Spur mehr vorhanden zu sein scheint, suchen? Nach den örtlichen Verhältnissen kann es kaum anderswo gestanden haben, als nördlich von der Kirche, der abteilichen Residenz gegenüber, nach Osten hin. Der Platz südlich von der Kirche bot dazu, wie weiterhin ersichtlich werden wird, keinen Raum. Wirklich finden sich denn auch an der bezeichneten Stelle noch Überbleibsel des Gebäudes. Vergeblich hat man sich bemüht, den ursprünglichen Zweck des eigentümlichen Bauwerks an der nordöstlichen Ecke des Schiffs der Kirche, welches den kleinen achteckigen Turm mit der Kapitelstube enthält, zu ermitteln und dieses Gebäude in einen vernünftigen Zusammenhang mit dem Kirchenbau zu bringen. Das Dunkel schwindet aber vollständig, wenn man annimmt, daß jenes Bauwerk der Überrest eines in seinem Hauptteile abgebrochenen Konvikthauses sei, welches sich mit seinem südlichen Ende an die Kirche selbst anlehnte und mit derselben zur Erleichterung der Abwartung des Gottesdienstes seitens der Stiftsdamen in unmittelbarer Verbindung stand. Diese Annahme findet eine besondere Stütze in dem Umstände, daß das fragliche Bauwerk bis zu dieser Stunde das Schlafhaus genannt wird. Wie würde sich dieser Name wohl sonst erklären lassen, wenn man die Deutung zurückwiese, daß das Haus, d. h. das ganze Gebäude, von welchem das jetzige Schlafhaus der Überrest ist, zum gemeinschaftlichen Schlafraum (dormitorium) der Stiftsdamen bestimmt gewesen sei? - Unter dieser Voraussetzung erklärt sich auch ganz ungezwungen der kleine Turmbau. Der Turm war der ursprüngliche Glockenturm der Kirche mit der besonderen Bestimmung, den neben ihm wohnenden Stiftsdamen die Horen vernehmlich anzukündigen, und am wenigsten entbehrlich, solange beide Haupttürme der Kirche (bis zum 15. Jahrhundert einschließlich) noch im Bau begriffen waren.

Ferner steht genau in nördlicher Richtung vom Schlafhause in der Entfernung von etwa ... Schritten ein Wohngebäude - das Saarmannsche Haus[2] -, früher als abteiliches Waschhaus bezeichnet und unter diesem Namen noch im Hypothekenbuche aufgeführt. Der nördliche Teil dieses Hauses bis zum Giebel hinauf besteht aus offenbar sehr altem, beträchtlich dickem Mauerwerk von Bruchsteinen; es ist ersichtlich, daß die Mauer weit höher gewesen, als jetzt. Nach Mittag ist ein Vorbau von Fachwerk angesetzt. Alles deutet darauf hin, daß der soeben beschriebene nördliche Teil des Gebäudes das nördliche Ende des Konvikthauses gebildet habe. Insbesondere spricht dafür, daß, wie die nördliche Umfassungsmauer des Hauses mit der nördlichen Außenmauer des Schlafhauses

  1. D. i. welche nach der Klosterregel leben und in dem Stift wohnen.
  2. Jetzt Pastorenhaus (P. Nobbe).